Fans
26. Februar 2013 // 16.32 Uhr

„Repression war niemals das Mittel der Wahl.“

Der Dresdner Historiker Kai Schurig beleuchtet das Verhältnis von Staat und Fankultur am Beispiel der SGD in den 1980ern


Am Montagabend hielt der Dresdner Historiker und Dynamo-Fan Kai Schurig einen Vortrag zum Einfluss des Staates auf die Fanszene der Sportgemeinschaft Dynamo Dresden in den 1980er-Jahren. In seiner Masterarbeit an der TU-Dresden hatte sich der 32-Jährige, der seit vielen Jahren selbst aktiver Fan der Schwarz-Gelben ist, intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Vor knapp 100 Zuhörern im Stadtarchiv Dresden beleuchtete er, wie die staatlichen Behörden unter der Federführung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) zwischen Leipzig, Dresden und Berlin durch Überwachung, Unterwanderung und Repression eine Fußball-Fankultur nach sozialistischer Staatsräson schaffen wollten. Seinen Schwerpunkt legte Schurig dabei auf die Untersuchung der „offiziellen“, staatlich geduldeten und instrumentalisierten Fanclubs der SGD.

{media-left}„Der Staat – in Vertretung des MfS – hatte die Befürchtung, dass der Fußball und die Fankultur, deren Entwicklung sich in den 1970er-Jahren rasant beschleunigte, zum Sammelbecken für unangepasste, nicht-konforme Individuen werden könnte, die aus dem ideologischen Raster des Einheitsstaates fallen. Es ging den staatlichen Organen bei der Einflussnahme auf die Fußball-Fankultur  nicht um sozialpädagogische Arbeit mit den Fußballanhängern, sondern in erster Linie um die ideologische Kontrolle der Fanszenen“, umriss Kai Schurig ein wesentliches Ergebnis seiner Untersuchung.

Die gewünschte Einflussnahme verschaffte sich das MfS zum Teil über „Spitzel“ im Fanblock – die sich freilich oft alles andere als inkognito bewegten –, vor allem jedoch auch durch die Verdrängung der Fanclubs in die Illegalität. Fans, die sich in irgendeiner Form organisieren, ihre Fankultur gemeinsam ausleben und in Form von Fahnen oder anderen Fanutensilien ins Stadion tragen wollten, mussten sich anmelden. Die Mitglieder dieser „legalen“ Fanclubs wurden in Karteien erfasst und waren fortan der andauernden und regelmäßigen Kontrolle durch das MfS ausgesetzt. Außerdem war die Gründung eines Fanclubs an Bedingungen geknüpft, wie die Teilnahme an regelmäßigen politisch-ideologischen Arbeitsgruppen – die zu umgehen wiederum der Findigkeit der Fans oblag.

Die Arbeit des jungen Geschichtswissenschaftlers beruht auf der Auswertung zahlreicher Quellen der Stasi-Unterlagenbehörde und des Bundesarchivs sowie auf sechs Zeitzeugeninterviews. Schurig sprach mit zwei früheren Mitarbeitern des MfS, zwei ehemaligen Funktionären der SG Dynamo Dresden sowie mit zwei Fußballfans. Bei der Sportgemeinschaft selbst wurde er jedoch nicht fündig, hier hatten die Karteien und Akten die Wende-Wirren nicht überdauert.

Im Kontext seiner Arbeit ergab sich auch eine vergleichende Analyse des Spannungsfeldes zwischen Fußballfans und Staat von DDR und BRD. Dabei habe sich laut Schurig manche Parallele vor allem im Umgang mit der seit Beginn der 1980er-Jahre in beiden deutschen Staaten zunehmenden Gewalt bei Fußballspielen gezeigt. Auch in der ehemaligen BRD reagierten die Institutionen – allen voran der DFB – zunächst mit eher repressiven Maßnahmen: In den bundesdeutschen Stadien wurden Zäune errichtet, das Stadionverbot fand Eingang in den Sanktionskatalog von Verein und Verbänden. Erst 1983 wurde in Bremen aus einer studentischen Initiative heraus das erste Fanprojekt gegründet. Im Nachgang folgten in vielen anderen bundesdeutschen Städten weitere Fanprojekte diesem Pilotmodell, deren Arbeit aufgrund von auslaufenden Förderungen jedoch schon wenige Jahre später wieder ins Stocken geriet. Das Fanprojekt Dresden wurde erst 2001 ins Leben gerufen.

Nach dem Vortrag entspann sich eine lebhafte Diskussion, bei der sich mancher Zuhörer als intimer Kenner der Dynamo-Fanszene aus Vorwendezeiten entpuppte. Kai Schurig fand auch auf viele Fragen, die den thematischen Horizont seiner wissenschaftlichen Arbeit überschritten, substanzielle Antworten. So auch auf jene nach dem Nutzen seiner Untersuchung für die heutige Zeit: „Aus der historischen Betrachtung des Verhältnisses von Fußballkultur und Institutionen lernen wir eines ganz deutlich: Repressives und allein auf die Kontrolle der Fans ausgerichtete Maßnahmen haben ihren Zweck damals nicht erfüllt. Daraus können wir immerhin schlussfolgern, dass sie auch heute nicht das Mittel der Wahl sind.“

Kai Schurig wird weiter an dem Thema forschen. Wer sich mit ihm in Verbindung setzen möchte, kann ihm eine Mail schreiben.

Dies ist eine migrierte News einer früheren Website-Version der SG Dynamo Dresden. Wir bitten um Verständnis, dass es aus technischen Gründen möglicherweise zu Fehlern in der Darstellung kommen kann bzw. einzelne Links nicht funktionieren.


 

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