Als im März 2022 in der Ukraine der Krieg ausbricht, weilt Kyrylo Melichenko gerade mit dem FK Mariupol im Trainingslager in der Türkei. Was er nicht ahnt: Sein Heimatland wird der Fußballprofi so schnell nicht wiedersehen. Schon der geplante Rückflug in die ukrainische Hafenstadt findet nicht mehr statt. Melichenkos Freundin Anja, die einst für ein Jahr in Potsdam studiert hatte und gut Deutsch spricht, stellt den Kontakt zur Sportgemeinschaft her.
Bei Schwarz-Gelb hält sich „Kyry“ zunächst als Trainingsgast fit, kann die Verantwortlichen aber von seinen Qualitäten überzeugen und erhält im Juli einen Profivertrag. Im exklusiven KREISEL-Interview vor dem Heimspiel gegen die SV Elversberg spricht der Defensivspieler über die Situation in seiner Heimat, das Gefühl, endlich wieder auf dem Platz zu stehen und die Unterschiede zwischen dem Fußball in Deutschland und der Ukraine. Nachfolgend findet Ihr einen Auszug aus dem Gespräch, das in Gänze schon jetzt kostenfrei online unter „meinDynamo“ zu lesen ist. Am Spieltag gibt es den KREISEL wie gewohnt in gedruckter Form im Dynamo-Fanshop und im Stadionumlauf zu erwerben.
Kyry, Du bist mit ganzem Herzen Fußballer. Hat die Situation in der Ukraine Deinen Blickwinkel auf den Sport verändert?
In einer solchen Situation merkt man, dass es im Leben weitaus wichtigere Dinge gibt als Fußball. Gerade in den ersten Monaten war es sehr schwer, sich auf etwas anderes als die Geschehnisse in der Ukraine zu konzentrieren. Der Sport hat mir dabei allerdings auch sehr geholfen, denn es gibt keine bessere Möglichkeit, sich abzulenken, als das Spiel auf dem Platz. Wenn ich auf dem Rasen stehe, ob im Training oder im Wettkampf, ist der Krieg in meiner Heimat für mindestens 90 Minuten aus meinem Kopf verschwunden. Daher bin ich dankbar, dass ich meiner großen Leidenschaft weiterhin nachgehen darf. Ich hoffe, dass eines Tages auch wieder in der Ukraine die Menschen unbeschwert leben können.
Du konntest bei Dynamo überzeugen, hast einen Profivertrag unterschrieben und auch direkt viele Spiele gemacht. Wie fühlt es sich an, wieder auf dem Platz zu stehen und Punkte zu sammeln?
Ich bin dem Verein und den Verantwortlichen unendlich dankbar, diese Möglichkeit bekommen zu haben. Ich spüre das Vertrauen des Trainers und es macht wahnsinnig viel Spaß, auf dem Platz zu stehen und mit der Mannschaft um Siege zu ringen. Und die Fans im Stadion sind unglaublich. Als ich das erste Mal vor diesem Publikum aufgelaufen bin, konnte ich kaum fassen, wie laut und stimmungsvoll es war. Die Atmosphäre ist unfassbar schön.
Wie funktioniert die Kommunikation mit Deinen Teamkollegen?
Am meisten kommuniziere ich in Englisch. Aber klar, ich nehme auch Deutsch-Unterricht und versuche, meine Sprachkenntnisse Stück für Stück zu verbessern. Aber die deutsche Sprache ist echt nicht leicht (lacht). Ein paar Sätze kann ich schon, vor allem natürlich das, was ich auf dem Platz brauche, um mit meinen Teamkollegen zu kommunizieren. Außerdem verstehe ich einiges – selbst zu sprechen ist aber nochmal deutlich schwerer.
Du hast in der ersten ukrainischen Liga gespielt. Wie schätzt Du im Vergleich das Niveau er 3. Liga in Deutschland ein?
Ich habe den Eindruck, dass in Deutschland mehr Fußball gespielt wird. Die Mannschaften wollen den Ball haben und spielen offensiver. In der Ukraine wird mehr Wert darauf gelegt, kein Risiko einzugehen, in der Defensive gut zu stehen und viel mit langen Bällen zum Erfolg zu kommen.
Wie musst Du Dein Spiel an den Fußball in Deutschland anpassen? Woran willst Du noch arbeiten?
Ich bin hier deutlich mehr in das Angriffsspiel eingebunden. In der Ukraine war es meine Hauptaufgabe, die Seite dicht zu machen. Unser Trainer Markus Anfang möchte, dass ich mich auch am Spielaufbau beteilige, den Ball fordere und mich mit nach vorn einschalte. Am Anfang war das für mich ungewohnt, aber ich denke, dass diese Art und Weise, Fußball zu spielen, ganz gut zu mir passt. Ich habe gerne den Ball am Fuß und bin in das Passspiel meiner Mannschaft eingebunden. Im Training arbeite ich jeden Tag daran, mich als Fußballer weiterzuentwickeln, besser zu werden und der Mannschaft bestmöglich helfen zu können.
Gegen Elversberg soll der nächste Heimsieg her. Was wird nötig sein, damit ein „Dreier“ gelingt?
Wir müssen 100 Prozent Einsatz und Leidenschaft auf den Platz bringen. Außerdem ist es wichtig, die Vorgaben des Trainerteams möglichst präzise umzusetzen. Wenn wir das schaffen, werden wir unser Heimspiel gegen Elversberg gewinnen. Die Fans sind dabei eine große Unterstützung, auf die wir zählen können.
Danke für das Gespräch, Kyry.
Interview: Klemens Fraustadt