Vor dem Rückspiel gegen die Spielvereinigung Bayreuth muss die Sportgemeinschaft den Blick auch in die Vergangenheit richten: Rund um das Hinspiel in der Wagner-Stadt kam es am 1. Oktober 2022 zu erheblichen Ausschreitungen sowohl im Gästeblock als auch in Zügen der Deutschen Bahn. Seither sind zahlreiche Maßnahmen erfolgt, um die entstandenen Schäden zu regulieren und eine Wiederholung derartiger Geschehnisse zu verhindern. Ein Überblick.
Während und nach der Partie im Hans-Walter-Wild-Stadion war es zu gewaltsamen Übergriffen auf Polizeibeamte sowie Mitarbeiter des Ordnungs- und Sicherheitsdienstes gekommen. Weiterhin entstanden Vandalismusschäden im Catering- und Sanitärbereich des Stadions sowie anschließend in den Zügen der Deutschen Bahn, mit denen vermeintliche Fans der SGD unterwegs waren. Insgesamt entstanden Sachschäden im mittleren fünfstelligen Bereich.
Unmittelbar im Anschluss verurteilte die SG Dynamo Dresden die Vorkommnisse nicht nur öffentlich, sondern untersagte zunächst für unbestimmte Zeit auch den Verkauf von Auswärtstickets an Nicht-Mitglieder. Die aktive Fanszene distanzierte sich ebenfalls öffentlich mit einem Tweet und beendete als direkte Reaktion ihre Planungen für einen Sonderzug zum Auswärtsspiel in Saarbrücken zwei Tage nach dem 70. Vereinsgeburtstag am 14. April 2023.
Ein besonderes Augenmerk legte die SGD auf die Entschädigung der unmittelbar betroffenen Personen und Institutionen: Nach zahlreichen Gesprächen mit den Betroffenen, in denen sich SGD-Geschäftsführer Jürgen Wehlend im Namen des Vereins entschuldigte, kam Dynamo Dresden für sämtliche entstandene Kosten bei der Stadt Bayreuth sowie dem Stadioncaterer und einem Bayreuther Transportunternehmer auf. Außerdem wurden deren zum Teil traumatisierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingeladen, das Rückspiel in Dresden zu besuchen. Insgesamt 27 Personen sind dieser Einladung der Sportgemeinschaft mit Unterstützung der Stadion-Projektgesellschaft, des Vermarkters Sportfive und insbesondere der Stadion Event Catering GmbH sowie Stadionführer Jürgen Kühnel gefolgt und werden ein individuelles Rahmenprogramm im Rudolf-Harbig-Stadion erleben. Die Partie selbst verfolgen sie dann aus dem VIP-Bereich unseres „Wohnzimmers“. Die ebenfalls betroffenen Zugführer und -begleiter können aus terminlichen Gründen leider nicht dabei sein, werden aber auf Einladung von Dynamo Dresden das Heimspiel gegen Rot-Weiss Essen am 8. April im Stadion verfolgen.
Hervorzuheben ist im Rückblick auf die Aufarbeitungen der Vorkommnisse, dass sowohl die SpVgg Bayreuth als auch die geschädigten Unternehmen keinerlei Vorwürfe an Dynamo Dresden formulierten, sondern den Einsatz des Vereins an und nach dem Spieltag würdigten und Verständnis für die prekäre Situation im Fußball zeigten, in dessen Stadien sich ein aktuelles sowie gesamtgesellschaftliches Problem darstellt.
Um dieses zu verstehen, ist ein Rückblick auf den 16. Mai 2021 nötig, der im Hinblick auf Ausschreitungen rund um Spiele der SGD einen tiefen Einschnitt darstellte. Rund um das Aufstiegsspiel der Sportgemeinschaft gegen Türkgücü München, zu dem aufgrund der damals geltenden Corona-Schutzverordnung keine Zuschauerinnen und Zuschauer im Rudolf-Harbig-Stadion zugelassen waren, kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und mehreren Straftaten im Großen Garten.
Zum damaligen Zeitpunkt bestimmte die Corona-Pandemie schon seit knapp einem Jahr große Teile des gesellschaftlichen Zusammenlebens. In einem von den Fans der Sportgemeinschaft initiierten Reflexionsprozess wurde die Erkenntnis herausgearbeitet, dass die Definition von „Normalität“ sich im Laufe der Corona-Pandemie verändert hat und eine Fortsetzung des normalen Lebens vor der Pandemie nicht so einfach möglich ist. Corona hat etwas mit den Menschen gemacht – das ist nicht nur im Fußball, sondern auch in anderen Lebensbereichen offensichtlich.
Nichtsdestotrotz suchte die SGD nach den Vorkommnissen am 16. Mai 2021 einen kritischen Austausch mit allen Beteiligten, der an einen expliziten Örtlichen Ausschuss Sport und Sicherheit (ÖASS) angelehnt sein sollte, welchen es so in Dresden nicht gibt. Unter anderem wurden die Geschehnisse in kommunalen und behördlichen Institutionen (z.B. Kriminalpräventiver Rat) sowie dem Stadtrat behandelt. Der Verein erarbeitete außerdem ein Konzept zum übergeordneten Austausch im und um den Fußball am Standort Dresden. Zu diesem mehrfach kommunizierten Angebot seitens der Sportgemeinschaft erfolgte lange Zeit keine Rückmeldung.
Während der intensiven Bemühungen um einen reibungslosen Spieltagsablauf in einer schwierigen sportlichen Situation fanden unregelmäßige bilaterale Gespräche statt. Als nach den Einschränkungen der Corona-Pandemie im Frühjahr 2022 die schrittweise Rückkehr der Fans ins Stadion möglich war, wurden der SGD und ihren Dienstleistern jedoch zahlreiche Mängel in der Sicherheitsorganisation vorgeworfen, die allesamt relativiert werden konnten. Nach den Vorkommnissen bei den Partien gegen Schalke 04 und den FC St. Pauli fand eine konstruktive, gemeinsame Vorbereitung des Relegations-Rückspiels gegen den 1. FC Kaiserslautern statt.
Die Vorkommnisse rund um diese emotionale Partie im Rudolf-Harbig-Stadion, bei der Grenzen erneut erheblich überschritten worden, führte zu der Erkenntnis, einen gemeinsamen, übergeordneten Austausch etablieren zu wollen. Im September 2022 wurden daraufhin erste Arbeitstreffen zu operativen und strukturellen Themen durchgeführt. Aktuell finalisieren Verein, Polizei, Politik und Fanprojekt den von der SGD erstellten Konzeptentwurf mit dem Ziel, diesen zeitnah in die Umsetzung zu bringen. Bei einer öffentlichen Anhörung im Oktober 2021 bescheinigte der unabhängige Vertreter der nationalen Koordinierungsstelle Fanprojekte (KOS), Michael Gabriel, Dynamo Dresden das nachhaltige Bemühen, durch Verein und Fanprojekt in der Fanarbeit stetig Verbesserungen zu erzielen. Auch bei der jährlichen Zertifizierung zum Sicherheitsmanagement im Auftrag des DFB wurde dem Verein wiederholt ein gutes Zeugnis bzgl. der Expertise in den Bereichen Prävention, Ordnung und Sicherheit sowie dem Umgang mit derartigen Vorkommnissen ausgestellt.
Für die Vorkommnisse in den Partien gegen Schalke, St. Pauli und Kaiserslautern, bei denen es einen erheblichen Einsatz von Pyrotechnik zu verzeichnen gab, wurde dem Verein eine Geldstrafe von insgesamt rund 300.000 Euro auferlegt. Circa 100.000 Euro davon sind für gewaltpräventive oder infrastrukturelle Maßnahmen vorgesehen. Bisher fand in diesem Rahmen eine Übung der übergreifenden Sicherheitsorganisation statt. Weiterhin hat die SGD gemeinsam mit der Diakonie aus der Stadionverbotsanhörungskommission (SVAK) heraus ein Pilotprojekt zum Thema „Anti-Aggressionskontrolle“ gestartet, welches im März 2023 abgeschlossen wurde. Nach der Partie in Bayreuth wurde darüber hinaus der Austausch mit der Deutschen Bahn intensiviert, um das Fernreisemanagement bei Auswärtsfahrten zu optimieren und Spieltage gemeinsam vorzubereiten.
Auch auf Seiten der Fans wurden die Ereignisse von Bayreuth intensiv ausgewertet. Bei einer Fanversammlung im Rundkino, bei der die Sinne für einen respektvollen Umgang geschärft wurden, nahmen am 12. November 2022 rund 900 Fans teil. Die SG Dynamo Dresden begrüßt in diesem Zusammenhang, dass die Fanszene Verantwortung für die Geschehnisse übernimmt und aktiv dagegen vorgeht. Gleichzeitig wurden nach den Vorkommnissen am 16. Mai 2021 von der Polizei 279 Stadionverbote angeregt. Die SGD hat daraufhin die Frequenz der Stadionverbotsanhörungskommission deutlich erhöht. Statt wie üblich einer SVAK pro Monat fanden zwischenzeitlich vier bis fünf Termine statt.
Aktuell sind 204 Verfahren abgeschlossen, wovon per se 184 mit einer Aussprache von einem Stadionverbot endeten. Von diesen sind fünf schon wieder ausgelaufen und zwölf zur Bewährung ausgesetzt. Somit haben aktuell 167 Stadionverbote Gültigkeit. Davon sind drei Vereinsmitglieder der Sportgemeinschaft betroffen, gegen die bereits die entsprechenden Ehrenratsverfahren zum Abschluss gekommen sind. Dabei endeten zwei von den drei Verfahren mit einem Ordnungsgeld. Von einem Mitglied wurde diese bereits bezahlt, mit dem anderen Mitglied steht die SGD in Kontakt.
Wie von SGD-Geschäftsführer Jürgen Wehlend bereits im Oktober 2022 angekündigt, werden die Strukturen und Prozesse der Stadionverbotsverfahren intern überprüft und zukünftig effizienter gestaltet.