Er schoss Dynamo 2011 in der Verlängerung von Osnabrück in die 2. Bundesliga und schaffte zwei Jahre später in zwei Entscheidungsspielen gegen den gleichen Gegner mit der SGD den Klassenerhalt: Im Interview erinnert sich Relegationsheld Robert Koch an den schönsten Moment seiner Karriere und erklärt, wie die Sportgemeinschaft gegen Kaiserslautern auch diesmal die Klasse halten kann.
Robert, schön, dass Du uns in der AOK PLUS Walter-Fritzsch-Akademie besucht hast. Bevor wir gleich über Dynamo Dresden sprechen, interessiert uns zunächst, wie es Dir geht: Du bist als Co-Trainer beim Bischofswerdaer FV in der Oberliga aktiv – wie läuft es und wie sehen deine Zukunftspläne als Trainer aus?
Sportlich kann es immer besser laufen, aber den Klassenerhalt haben wir, trotz der letzten Niederlage gegen Zorbau, so gut wie geschafft, der Vorsprung ist groß genug. Eigentlich sind wir mit einem anderen Anspruch in die Saison gegangen, aber nach der Coronavirus-Pause und aufgrund vieler Ausfälle sind wir leider unten reingerutscht. Grundsätzlich macht die Arbeit in Bischofswerda viel Spaß. Wir haben ein junges Team, das sich weiterentwickeln will.
Wie ehrgeizig bist Du als Trainer, was Deine eigene Entwicklung betrifft?
Aktuell bin ich Inhaber der Elite-Jugend-Lizenz, der nächste Schritt soll unbedingt die A-Lizenz sein. Das Ausbildungssystem des DFB hat sich verändert, es ist anspruchsvoller und zeitintensiver geworden. Der Lehrgang zur A-Lizenz dauert mittlerweile sieben bis acht Monate. Dieses Jahr hat es zeitlich nicht reingepasst, aber nächstes Jahr möchte ich den Lehrgang gerne machen und langfristig wieder in den Profibereich reinrutschen – ob nun als Chef- oder Co-Trainer, im Jugend- oder Herrenbereich, das muss man dann schauen. Dynamo stand zweimal in der Relegation zwischen 2. Bundesliga und 3. Liga, Du warst zweimal dabei – beim Aufstieg in Osnabrück 2011 genauso wie beim Klassenerhalt erneut gegen den VfL 2013.
Welche Erinnerungen hast Du an diese Spiele?
Durchweg positive. Der Aufstieg mit Dynamo 2011 war der schönste Moment meiner Karriere. Mit „meinem“ Verein aufzusteigen, mit dem ich als Fan aufgewachsen bin und Aufstiege auf der Tribüne gefeiert hatte; diesen Moment zu erleben mit Spielern auf dem Platz, mit denen man eng befreundet war und mit den Fans im Stadion – das war unbeschreiblich. Wir hatten damals eine Mannschaft mit sehr viel Qualität. Ich erinnere mich sehr gerne daran. Ich habe heute einen verrückten Nachbarn, der immer mal wieder Videos von damals rauskramt. Bei dem Aufstiegsspiel in Osnabrück bekomme ich, wie auch beim DFB-Pokalspiel gegen Leverkusen, noch immer Gänsehaut. Es ist großartig, seinen Söhnen diese Bilder vorspielen zu können. Die zweite Relegation hatte andere Vorzeichen: Bei einem möglichen Abstieg hast Du mehr zu verlieren, als Du mit einem Aufstieg gewinnen kannst. Der Druck war daher größer. In Osnabrück haben wir 0:1 verloren, Benny Kirsten parierte sogar noch einen Elfmeter. Aber wir konnten das Ding im Rückspiel zu Hause umbiegen. Die Freude war natürlich riesig, dass wir für Dynamo die 2. Bundesliga halten konnten.
Nach Deinem Tor zum 3:1 beim Aufstieg 2011 sind damals alle Dämme gebrochen. Wie hast Du diese Minuten erlebt, als die Fans schon am Spielfeldrand standen und am Ende auch den Platz gestürmt haben?
Ich habe beim Jubel mein Trikot ausgezogen, denn ich wusste: Jetzt ist das Ding hier wirklich durch! (lacht) Und dann hat man natürlich sofort wahrgenommen, was im Stadion los ist. Die Fans standen direkt am Rand und ich dachte nur: “Hoffentlich passiert jetzt nichts Wildes“. Ich habe direkt Blickkontakt zum Schiedsrichter gesucht, um etwas zu beschwichtigen und auf die Fans eingeredet, sich noch bis Abpfiff zurückzuhalten. Das Bildmaterial ist vorhanden, die Erinnerungen werden nie vergehen. Es war unbeschreiblich, so etwas mitzuerleben, obwohl ich nicht weiß, ob man diesen Nervenkitzel irgendjemanden wünschen sollte.
Der Aufstieg mit Dynamo 2011 war der schönste Moment meiner Karriere. Mit „meinem“ Verein aufzusteigen, mit dem ich als Fan aufgewachsen bin und Aufstiege auf der Tribüne gefeiert hatte; diesen Moment zu erleben mit Spielern auf dem Platz, mit denen man eng befreundet war und mit den Fans im Stadion – das war unbeschreiblich.Robert Koch, ehemaliger Angreifer der SG Dynamo Dresden
Ihr seid nach dem Spiel damals direkt nach Dresden geflogen und am Flughafen mitten in der Nacht von einer Vielzahl an Fans empfangen worden. Hattet Ihr damit gerechnet?
Wir sind kurzfristig mit einer Privatmaschine nach Dresden geflogen – unsere Sponsoren hatten das möglich gemacht – und wussten, dass dort Fans auf uns warten. Aber dass es so viele waren – einfach Wahnsinn! Der ganze Flughafen war schwarz-gelb, auf dem Weg in die Stadt wurde der Bus von den Fans quasi belagert. Auch die Feier auf dem Altmarkt am nächsten Tag mit gefühlt 25.000 Fans bei bombastischem Wetter – das war beeindruckend. Man ist noch Wochen später darauf angesprochen worden, dieses Gefühl hat lange nachgewirkt.
Die Relegationsbilanz spricht für den Drittligisten: In 13 Duellen setzte sich neunmal der Drittplatzierte der 3. Liga durch, nur vier Zweitligisten konnten die Klasse halten. Du hast die Situation sowohl als Zweit- als auch Drittligist erlebt: Was macht den Unterschied aus, warum ist es für den Drittlisten gefühlt etwas leichter?
Wie so oft im Fußball spielt der Kopf eine entscheidende Rolle. Nach einer Saison mit vielen positiven Erlebnissen gehst Du mit Selbstvertrauen in diese Spiele. Man hat das Gefühl, in diesen beiden Partien etwas Unmögliches schaffen zu können. Viele Drittliga-Spieler haben den Traum, einmal in der 2. Bundesliga zu spielen. Das setzt nochmal zusätzliche Kräfte frei. Andersherum hat der Zweitligist oftmals eine eher schwache Spielzeit mit vielen Nackenschlägen in den Knochen. Außerdem ist der Verlust eines Abstiegs größer als der Gewinn eines Aufstiegs. Diese Gedanken spielen eine Rolle. Man muss sich jetzt auf das Wesentliche und die eigenen Qualitäten konzentrieren, aber das ist leichter gesagt als getan.
Kaiserslautern hat zuletzt dreimal verloren und den Trainer gewechselt. Verringert diese Negativserie den psychologischen Vorteil des Drittligisten?
Das glaube ich schon. Kaiserslautern hat mit drei Niederlagen zuletzt richtig etwas verloren, denn aufgrund der Braunschweiger Schwächephase hatten sie die Chance, den Aufstieg aus eigener Kraft direkt zu schaffen. Jetzt müssen sie in die Relegation. Ich kenne die Mannschaft nicht so genau und weiß nicht, ob sie sich über diese vertane Gelegenheit ärgern oder auf die Chance Relegation freuen. Das hängt sehr vom Charakter der Jungs ab. Aber dass die drei Niederlagen irgendwo eine Rolle spielen, ist sicherlich naheliegend.Was bedeutet der Trainerwechsel beim FCK für Dynamo?
Da ich mittlerweile auch Trainer bin, fand ich die Entlassung von Marco Antwerpen schon krass, wenn man sich überlegt, wo er die Mannschaft bei seinem Amtsantritt übernommen und welch erfolgreiche Saison er mit Kaiserslautern gespielt hat. Für die beiden Relegationsspiele war das aber ein “fieser Trick“ des FCK. Dynamo hatte sich auf einen Gegner vorbereitet, schaut sich dessen Spiele an – und kann nun vieles davon über den Haufen werfen. Dirk Schuster wird nicht zehn Spieler austauschen, aber wahrscheinlich eine andere Philosophie an den Tag legen. Man müsste jetzt wahrscheinlich schauen, mit welchen Mannschaften er in den letzten Jahren in welchen Formationen gespielt hat. Für die Spieler des FCK ist dieser Wechsel ein neuer Impuls. Dirk Schuster kann ein harter Hund sein, aber auch ein richtig guter Motivator. Ich bin gespannt, was er in der kurzen Zeit bewirken kann.
Wie bereitet man sich auf ein solches Endspiel wie die Relegation vor, in der es um alles geht? Was ist in den Tagen vor dem Spiel anders als sonst?
Vom Grundsatz her bleibt der Ablauf gleich. Aber man ist sicherlich ein Stück aufgeregter. Es ist vergleichbar mit einem Pokalfinale, allerdings geht es um noch ein bisschen mehr – nämlich die Ligazugehörigkeit, die anschließend mindestens die gesamte nächste Saison bestimmt. Ich kann mich noch an die erste Ansprache von Ralf Loose erinnern, als er 2011 sechs Spieltage vor Schluss als neuer Trainer zu uns kam. Er hat gefragt, wer noch an den Aufstieg glaubt. Keiner hat sich gemeldet. Er sagte dann: ´Ich glaube daran, sonst wäre ich nicht hier. Also lasst uns rausgehen und Gas geben!´. Wir sind rausgegangen, haben noch fünfmal gewonnen und einmal Unentschieden gespielt. Am Ende standen wir auf Platz drei und haben über die Relegation den Aufstieg geschafft. Wir hatten eine qualitativ gute Mannschaft, haben unsere Chance gesehen und sie beim Schopfe gepackt. Du musst daran glauben und von Dir überzeugt sein.
Die Torchancen waren in den letzten Spielen oftmals vorhanden, aber der Ball will nicht so recht rein. Wie bekommt man eine solche Flaute in einer solch entscheidenden Phase gelöst?
Als Offensivspieler braucht man – womöglich noch mehr als ein Defensivmann – das Vertrauen des Trainers und der Mannschaft. Man muss wissen: Auch wenn ich mal nicht treffe, werde ich definitiv nächste Woche wieder meine Einsatzzeit erhalten, weil ich es kann und alle an mich glauben. Hinzu kommt jedoch, dass der Druck nach einem Wechsel der Formation oder einzelner Spieler umso größer wird, je häufiger Du nicht gewinnst. Nicht nur im Umfeld, sondern auch intern. Denn dann sitzen natürlich die anderen Spieler draußen und fragen: Warum habe ich nicht gespielt? Wann kriege ich meine Chance? Solche Momente bestehst Du nur mit Zusammenhalt, mit einer Hierarchie und einem funktionierenden Teamgefüge. Du musst die richtige Mischung finden aus neuen Impulsen und Vertrauen.
Seit dieser Saison gibt es in der Relegation keine Auswärtstorregel mehr. In den Spielen gegen Osnabrück war sie jeweils ein Faktor: 2011 brauchte Osnabrück nach dem 2:1 von Dani Schahin zwei Tore für den Klassenerhalt, 2013 hätte beim Stand von 2:0 ein Gegentor gereicht, um abzusteigen. Wie bewertest Du die Abschaffung dieser Regel?
Es hat sein Für und Wider. Man sieht in den internationalen Wettbewerben, dass mehr Tore fallen, weil die Mannschaften nicht mehr so oft `Atletico-Madrid-Fußball` spielen und sich weniger hinten reinstellen. Wenn Du ein Gegentor kassierst, ist das nicht mehr so dramatisch wie bisher. Bei einem 0:0 auswärts und einem 1:1 zu Hause geht es weiter. Für die Spieler ist das besser, für den Fan hatte die Auswärtstorregel immer einen gewissen Reiz.
Sowohl auf dem Betzenberg als auch im Rudolf-Harbig-Stadion wird die Stimmung am Siedepunkt sein. Ist es ein Vorteil, das entscheidende Rückspiel zu Hause zu haben?
Ich freue mich darauf, dass beide Spiele ausverkauft sein werden. Schade, dass aufgrund des festgelegten Kontingents nur etwa 5.000 Fans auf dem Betzenberg dabei sein dürfen. Im Rückspiel wird der Hexenkessel in Dresden voll sein, die Dynamo-Fans werden hinter der Mannschaft stehen. Das müssen sie auch, vor allem in dieser schweren Phase. Jetzt geht es nicht mehr um Spieler oder Trainer, jetzt müssen alle Beteiligten zusammen alles geben für den Verein und die Stadt. Das Publikum kann ein paar Prozent mehr aus der Mannschaft herauskitzeln. Und dann ist es natürlich ein Vorteil, dass das entscheidende Rückspiel zu Hause stattfindet. Selbst wenn man im Hinspiel auf dem Betzenberg mit einem Tor zurückliegen sollte, muss man nicht volles Risiko gehen, weil man weiß, dass man vier Tage später mit den Fans im Rücken nochmal etwas drehen kann.
Was spricht aus Deiner Sicht des Weiteren für Dynamo: Warum schafft die SGD gegen Kaiserslautern den Klassenerhalt?
Auch wenn es hart klingt: Die Chancen stehen für mich 50:50. Was für Dynamo spricht, ist die höhere Qualität der Einzelspieler. Viele haben schon höherklassig gespielt oder sind bereits länger in der 2. Bundesliga aktiv, haben die ganze Saison in dieser Spielklasse agiert. Man hat in vielen Partien gesehen, dass Qualität vorhanden ist – ich denke zum Beispiel an die Heimspiele gegen Bremen oder Hannover. Wir müssen nicht drumherum reden, dass die Saison insgesamt hätte besser laufen können, aber in der Mannschaft steckt fußballerische Klasse. Das ist ein Pluspunkt. In den letzten Spielen wirkte es manchmal ein wenig verkrampft, aber das ist in solchen Situationen ganz normal. Mit der Relegation beginnt die Ausgangslage bei Null, da zählt die Tabelle nicht, das sind zwei Vollgas-Spiele. In solchen Duellen kann der Knoten schnell platzen und man kann Selbstvertrauen aus jeder gelungenen Aktion ziehen.
Letzte Frage: Wie blickst Du heute generell auf Dynamo und wo wirst Du die Relegationsspiele gegen Kaiserslautern verfolgen?
Seitdem mein Freund Morris Schröter, zu dem ich zwei-, dreimal pro Woche Kontakt habe, in Dresden spielt, verfolge ich Dynamo noch intensiver. Natürlich habe ich nach dem Ende meiner aktiven Karriere auch etwas mehr Zeit dafür. In dieser Saison habe ich etwa 80 Prozent der Spiele gesehen, war auch wieder öfter im Stadion. Ich habe auch lange mit mir gerungen, ob ich das Relegationsrückspiel im Rudolf-Harbig-Stadion oder zu Hause verfolgen soll. Ich habe mich für die heimische Couch entschieden und werde mit Freunden und Familie schauen. Für meine Kinder ist die Anstoßzeit auch einfach ein bisschen spät. Aber klar: Beide Spiele stehen bei mir fett im Terminkalender. Ich drücke beide Daumen, dass Dynamo die Klasse hält.
Interview: Klemens Fraustadt