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19. September 2013 // 12.30 Uhr

„Nicht immer nach dem DFB rufen“

Auszüge eines „Spitzengesprächs“ zum Ostfußball | Das ganze Gespräch im 11Freunde-Magazin, erhältlich ab Donnerstag, 19.09.


Im folgenden Text findet ihr Auszüge aus dem 11Freunde-Magazin, Heft #143, welches ab 19.09. im Handel ist. Dynamo-Geschäftsführer Christian Müller befindet sich im Gespräch mit Erzgebirge Aues Präsident Lothar Lässig und dem Vize-Präsident von Energie Cottbus, Wolfgang Neubert. Es geht um Tradition, Hamsterkäufe von RB Leipzig und das vermeintlich überholte Ost-West-Schema. Dabei nehmen die Herren kaum ein Blatt vor den Mund. Unser Prädikat: Unbedingt lesenswert!

Meine Herren, gibt es eigentlich noch so etwas wie Ostfußball?

Lothar Lässig: Warum nicht? Alle Mannschaften existieren ja noch. In welcher Liga sie jetzt spielen, ist eine andere Sache.

Wolfgang Neubert: Ostfußball hat viel mit der Tradition zu tun. Wenn irgendwo zwei Ostklubs gegeneinander antreten, wird das immer gleich als Derby bezeichnet.

Christian Müller: Wir sollten nicht mehr in den Kategorien Ost- und Westfußball denken. Natürlich erinnern sich die Zuschauer bei Spielen zwischen Union Berlin, Cottbus oder Aue an dreißig, vierzig Jahre Geschichte. Das verbindet die älteren Anhänger und ist auf die jüngeren übergegangen. Aber für uns als Verein macht es keinen Unterschied, ob wir nach Cottbus oder Braunschweig fahren, und auf dem Platz gibt es die alte Ostschule auch nicht mehr.

Aue und Cottbus stehen überdurchschnittlich gut da. Was machen Sie besser als die anderen?

Neubert: Wir sind jetzt seit 17 Jahren im Profifußball, eine Stadt mit nicht einmal 100 000 Einwohnern in einer strukturschwachen Region. Das geht nur, wenn man klare Strukturen hat und Menschen, die ehrliche Arbeit abliefern. Wir bekommen seit sieben Jahren die Lizenz ohne Auflagen und bewegen uns in den Bereichen, die wir uns leisten können. Das Gleiche gilt für Aue. Eine Stadt mit 16 000 Einwohnern! Man muss sich mal vorstellen, was für ein Herzblut und Engagement da drinstecken.

Müller: Ich würde das gerne kommentieren, aber nicht als Dresdner, sondern aus meiner Vergangenheit als DFL-Geschäftsführer. Was Cottbus und Aue auf die Beine gestellt haben, ist mehr als aller Ehren wert. Früher habe ich bei Vorträgen gerne gefragt, was die größere Leistung sei: mit Bayern München ins Halbfinale der Champions League zu kommen oder mit Energie Cottbus die Bundesliga zu halten? Erzgebirge Aue ist noch mal etwas ganz Besonderes, als so kleine Stadt in einer abgelegenen Gegend, in der man manche Spieler allein deshalb nicht bekommt, weil sie zu weit vom Schuss liegt. Da müssen wir Dresdner uns fragen: Wieso schaffen wir es als achtgrößte Stadt Deutschlands nicht, sportlich weiter voranzukommen? Wir können uns von den beiden viel abschauen.

Welchem Ostverein trauen Sie die erste Bundesliga zu?

Lässig: Normalerweise sollte es Dresden sein. Die haben von allen die besten Voraussetzungen.

Neubert: Man darf Union Berlin nicht vergessen. Der Klub hat ein super Umfeld, eine  tolle Fankultur und finanziell ist er besser aufgestellt als wir drei zusammen.

Ist der wahrscheinlichste Bundesligist aus dem Osten nicht RB Leipzig?

Müller: Hoffentlich nicht.

Neubert: Unser größtes Problem mit denen ist, dass sie uns die jungen Spieler abwerben. Sie bieten 14-Jährigen schon 1.000 Euro im Monat und lotsen sie nach Leipzig. Wir haben in Cottbus eine Eliteschule des Fußballs und der FC Energie gibt rund 1,3 Millionen im Jahr für Nachwuchsförderung aus. Diese Summe lässt RB für eine einzelne Altersklasse springen, mit Verträgen, die sagenhaft sind. Genau das macht den Verein im Osten so unbeliebt, weil dadurch die kleineren, klammen Klubs nicht mal mehr die Chance haben, mit eigenen Leuten Erfolg zu entwickeln. Die werden ihnen einfach weggeholt.

Müller: RB Leipzig kauft sogar viel mehr talentierte Jugendspieler, als sie brauchen. Sie haben fast vierzig U16-Fußballer, die vermeintlich besten ihres Jahrganges. Einige entwickeln sich, andere nicht, und die gehen dann vielleicht wieder zu einem von unseren Vereinen zurück. Auch in den anderen Nachwuchszentren im Osten muss der Anspruch bewahrt werden, Toptalente auszubilden, aber das ist der sportfachliche Aspekt. Mich stört daran vielmehr etwas Grundsätzliches: Wir sind ja alle Sportler, und das sportliche Ethos besagt, eine überlegene Leistung anzuerkennen. Nur ist es in diesem Fall so, als hätte ein Boot auf der Ruderregatta einen Außenbordmotor. RB hat keine Geduld, selbst etwas zu entwickeln, doch weil der Verein als Marketingplattform benutzt wird, spielen Kosten anscheinend keine Rolle. Der ganze Klub widerspricht dem Sportgedanken und ich finde es schade, dass DFB und DFL nicht stärker dagegen halten.

Interview: Christoph Biermann, Jens Kirschneck

Fotos: Patrick Desbrosses

Das ganze Gespräch im aktuellen 11Freunde-Magazin, erhältlich ab 19.09. in Kiosken, Zeitschriftenläden etc.

Dies ist eine migrierte News einer früheren Website-Version der SG Dynamo Dresden. Wir bitten um Verständnis, dass es aus technischen Gründen möglicherweise zu Fehlern in der Darstellung kommen kann bzw. einzelne Links nicht funktionieren.


 

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