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31. März 2020 // 11.08 Uhr

„Es ging damals für alle bei null los.“

Ingrid Beier ist mit den Gedanken stets bei "ihrer" SGD. | Foto: Frank Dehlis

Interview mit Ingrid Beier in der Corona-Krise


Ingrid Beier ist 89 Jahre alt und fiebert als eine der ältesten Anhängerinnen seit Jahrzehnten leidenschaftlich mit der SGD mit. Den meisten Fans der Sportgemeinschaft ist sie nur als „Dynamo-Omi“ bekannt. So wird die gebürtige Dresdnerin auch an der Supermarktkasse begrüßt, wenn sie ihren Einkäufen nachgeht.Von 1954 bis 1977 war sie Straßenbahnführerin in der Landeshauptstadt. Anschließend wechselte sie bis zu ihrer Pensionierung in die Kantine der Dresdner Verkehrsbetriebe. Seit 2015 lebt die Rentnerin nun im Betreuten Wohnen in Dresden-Striesen und hält Dynamo Dresden auch in Zeiten der Corona-Krise weiter die Treue.

Wir sprachen mit Ingrid Beier über ihren Alltag im Ausnahmezustand der Corona-Pandemie. Wir wollten wissen, wie sie mit den aktuellen Maßnahmen zurechtkommt, die das gesellschaftliche Leben in Deutschland vorübergehend einschränken. Außerdem tauchten wir in eine Zeit ab, die nicht nur in Dresden von Leid, Hunger, Trümmern und Lebensmittelmarken gekennzeichnet war und nachhaltig Spuren im Leben der bald 90-Jährigen hinterlassen hat.

Wie geht es dir, liebe Ingrid?

Danke der Nachfrage. Mir geht es im Moment gut. In meinem Alter schaue ich nicht mehr ganz so weit in die Zukunft. Ich versuche jeden Tag so zu genießen, wie er ist.

Wie hat sich der Alltag in deinem Leben durch die Corona-Krise verändert?

Eigentlich komme ich mit den Einschränkungen gut zurecht. Ich darf ja noch raus an die frische Luft, um mich ein Stück zu bewegen. Und in den benachbarten Supermarkt darf ich auch noch gehen, um meine kleinen Einkäufe zu erledigen. Die einzige wirklich gravierende Veränderung für mich ist, dass wir hier nichts mehr mit anderen Bewohnerinnen und Bewohnern zusammen machen dürfen.

{media-left}Welche besonderen Maßnahmen gelten jetzt für dich und die anderen Bewohner in eurem Haus?

Wir müssen derzeit möglichst jeden sozialen Kontakt meiden, der nicht unbedingt sein muss. Das gilt auch für Besuche. Das ist natürlich schon traurig, aber momentan nicht zu ändern. Außerdem dürfen wir nur noch alleine mit dem Aufzug fahren, wenn wir die Etagen im Gebäude wechseln möchten. Beim Essen gibt es für uns derzeit feste Zeiten und es gilt bei der Sitzordnung im Speisesaal einen großen Abstand einzuhalten.

Wie erlebst du die gegenwärtige Lage rund um die Corona-Pandemie?

Ich komme damit zurecht, auch weil ich versuche, nicht permanent darüber nachzudenken. Sonst werde ich noch verrückt.

Du hast schon einiges in deinem Leben erlebt. Ist die Ausnahmesituation mit irgendetwas vergleichbar?

Ich werde in ein paar Wochen 90 Jahre alt. Ich erinnere mich, dass wir mal große Probleme mit der Ausbreitung von Diphtherie hatten und sehr viele Menschen daran erkrankt und gestorben waren, bevor ein rettender Impfstoff das Elend eingebremst hatte. Wenn ich grundsätzlich an meine Jugend denke, dann stelle ich fest, dass das Leben mich und vor allem meine Familie schon auf viel härtere Weise gefordert hat. Der Krieg, das unendliche Leid und die Folgen des Zweiten Weltkrieges waren für viele Jahre ein unglaublicher Eingriff in das gesamte gesellschaftliche Leben, welches quasi nicht mehr vorhanden war. Es ging damals für alle bei null los.

{media-right}Weil alles in Schutt und Asche lag.

Ja, genau. Jeder musste mit den unfassbaren Konsequenzen klarkommen, ob er wollte oder nicht. Dagegen sind die temporären Einschränkungen, die wir in diesen Tagen erleben, doch ertragbar. Nach dem Krieg gab es Lebensmittelkarten für Brot, Wurst und Käse, damit die Menschen sich überhaupt etwas zu essen leisten konnten und jeder etwas bekam. Heute können wir zusammen dafür sorgen, dass der Virus sich nur langsam ausbreitet. Und alles was wir dafür tun müssen, ist, ein paar Wochen zuhause zu bleiben.

Hast du damals zusammen mit deiner Familie in Dresden gelebt?

Nur bis etwa 1946. Wir sind dann als Familie zu Verwandten aufs Land nach Mecklenburg gezogen und haben dort bei der Landwirtschaft mitgeholfen. So hatten wir Unterkunft und genug Lebensmittel. Ich bin dann ungefähr 1954 nach Dresden zurückgekehrt und lebe bis heute in unserer wunderbaren Stadt.

Zurück in die Gegenwart. Wie schützt du dich aktiv vor dem unsichtbaren Feind, dem Coronavirus?

Wir haben in den Gängen an jeder Ecke einen Desinfektionsspender. Dort bedienen wir uns, wenn wir daran vorbeikommen. Leider müssen bei uns im Betreuten Wohnen auch das gemeinsame Kaffeetrinken und die gemeinsamen Skat- sowie Rommérunde ausfallen. Vor allem das gemeinsame Kartenspielen mit meinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern vermisse ich schon sehr in meinem Alltag, denn die Freude am Spiel ist bei mir stets ein Stück größer als der Ärger übers Verlieren. Und ich gewinne trotz meines Ehrgeizes nicht oft. (lacht)

Du bist als Edelfan und sogenannte „Dynamo-Omi“ auch regelmäßiger Gast bei den Pressekonferenzen im Stadion. Fehlt dir auch der Kontakt zu Dynamo Dresden?

Diese Frage ist für mich ganz leicht zu beantworten: Dynamo vermisse ich Tag und Nacht. Wenn ich munter werde, denke ich an den Verein. Und abends vor dem Einschlafen wünsche ich mir jeden Tag, dass es allen Dynamos hoffentlich gut geht. Bleibt bitte alle schön gesund und passt gut auf euch auf.

{media-left}Wenn die Ausgangsbeschränkung vorüber ist, worauf freust du dich am meisten?

Solange mich meine Beine tragen, die mir in meinem Alter leider zunehmend Schwierigkeiten bereiten, werde ich ins Stadion gehen, weil es etwas ganz Besonderes für mich ist. Oft holen mich ganz liebe Menschen ab und nehmen mich mit zum Stadion, denn alleine packe ich den Weg leider nicht mehr. Ich freue mich schon jetzt sehr darauf, wenn endlich wieder Fußball im Stadion gespielt wird.

Wirst du in der Zwischenzeit auf dem Laufenden gehalten?

Ich lese die Tageszeitungen und schaue jeden Tag in mein Handy, ob es Neuigkeiten von den Spielern, Trainern und Verantwortlichen gibt. Ich schaue mir alles an, was es da so Neues im Internet gibt. Dynamo ist das, was mir derzeit am meisten fehlt.

Hab ganz herzlichen Dank für das Telefongespräch und pass bitte gut auf dich auf. Bleib gesund, liebe Ingrid!

Interview: Henry Buschmann

Dies ist eine migrierte News einer früheren Website-Version der SG Dynamo Dresden. Wir bitten um Verständnis, dass es aus technischen Gründen möglicherweise zu Fehlern in der Darstellung kommen kann bzw. einzelne Links nicht funktionieren.


 

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