1. Mannschaft
10. Januar 2014 // 10.09 Uhr

„Diese Geradlinigkeit passt zu mir.“

Interview mit Uwe Weidemann


Vor dem Testspiel gegen Erfurt sprachen wir mit einem, der bei den Rot-Weißen ausgebildet wurde und lange Jahre dort gespielt hat. Uwe Weidemann kam 1977 von Traktor Weißensee in die thüringische Hauptstadt. Nach der Wende wechselte er mit 27 Jahren zum 1. FC Nürnberg in die Bundesliga und war für den „Klub“, Duisburg und Schalke sechs Jahre in der höchsten Spielklasse aktiv. Hinzu kamen vier Zweitliga-Jahre bei Waldhof Mannheim, Hertha BSC und FC Gütersloh. Weidemanns letzte Station hieß Fortuna Düsseldorf. Dort bestritt er 63 Regionalliga-Spiele in drei Spielzeiten und machte 2002 sein letztes Pflichtspiel wenige Wochen vor seinem 39. Geburtstag. Von 2004 bis 2007 trainierte der Thüringer die Fortuna.Wir sprachen mit dem 50-Jährigen über Begegnungen zwischen Rot-Weiß und Dynamo in der Oberliga und das letzte seiner zehn Länderspiele für die DDR. Wir fragten ihn, was er heute macht und wie man sich als Bundesliga-Spitzenreiter fühlt, wenn man ein negatives Torverhältnis hat. Außerdem verriet uns der Mann, der für sein strohblondes Haar bekannt war, was ihm durch den Kopf geht, wenn er an den Ost-Fußball denkt.

Herr Weidemann, wo erreichen wir Sie gerade?

Ich bin im Büro, auf dem Trainingsgelände des MSV Duisburg.

Am Samstag trifft Ihr Ausbildungsverein Rot-Weiß Erfurt in einem Testspiel auf Dynamo Dresden. Sie haben mit Erfurt in der DDR-Oberliga einige Male gegen Dynamo gespielt. Was waren das für Begegnungen?

Auf hohem Niveau! (lacht) In Dresden hingen die Trauben immer sehr, sehr hoch. Das ging ja jeder Mannschaft so. Wenn man sieht, wer damals alles dort gespielt hat – ein Matthias Sammer oder ein Ulf Kirsten –, da war schon eine Menge Qualität auf dem Platz. Aber ich glaube, das letzte Spiel bei dem ich dabei war, haben wir zuhause 2:0 gewonnen. Das waren immer heiße Duelle.

[Uwe Weidemann täuscht sich nicht. Erfurt schlug Dynamo am 3. April 1990 im Georgi-Dimitroff-Stadion (ab 1991 Steigerwaldstadion), Weidemann erzielte den zweiten Treffer für Rot-Weiß. Anm. d.Red.]

Auf Ihrem Konto stehen zehn Länderspiele für die DDR. An das letzte werden Sie sich noch besonders gut erinnern…

Das stimmt. Wir haben im Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro gegen Brasilien 3:3 gespielt. Auch wenn das sicher etwas glücklich zustande gekommen ist – das Resultat konnte sich sehen lassen und die Brasilianer hatten sich das auch etwas anders vorgestellt. Im Maracanã haben sicher nicht viele Mannschaften drei Tore geschossen. Leider waren wir für Brasilien damals nur Sparringspartner, weil wir selbst die Qualifikation für die WM in Italien im letzten Spiel gegen Österreich verpasst hatten.

[Sechs Tage nach Öffnung der Grenze fuhren am 15. November 1989 viele DDR-Bürger nach Wien zum Quali-Spiel. Durch den Sieg der Sowjetunion gegen die Türkei hätte der Geyer-Elf ein Unentschieden im Praterstadion gerreicht. Doch Österreich gewann durch drei Treffer von Toni Polster. Aus Dynamos Reihen standen Ulf Kirsten, Matthias Sammer, Jörg Stübner und Matthias Döschner auf dem Platz. Weidemann wurde beim Stand von 3:0 für Sammer eingewechselt.  Anm. d.Red.]

Erinnern Sie sich noch, auf welchen Gegenspieler Sie damals getroffen sind?

Ich weiß es nicht mehr hundertprozentig, aber ich glaube, ich habe gegen Dunga gespielt.

{media-left}Eduard Geyer war seinerzeit Trainer der DFV-Auswahl. Vor dem 293. und letzten Länderspiel der DDR gegen Belgien erlebte Geyer eine herbe Enttäuschung, weil ihm viele Spieler absagten. Auch Sie haben dieses Spiel nicht mehr mitgemacht…

Ich hätte kein Problem gehabt, dort nochmal aufzulaufen. Es gab ja einige DDR-Nationalspieler, die nach der Wende auch für Deutschland gespielt haben. Und meines Erachtens ist es egal, für welches Land man spielt – es ist immer eine Ehre. Jedenfalls habe ich das Spiel verpasst, weil ich verletzt war. Ich war damals schon in beim 1. FC Nürnberg und hatte mir gleich in der ersten Woche das Syndesmoseband angerissen. Deswegen konnte gegen Belgien nicht dabei sein. Soweit ich mich erinnere, hatte ich eine Einladung erhalten.

Die erste Hälfte Ihrer Karriere erlebten Sie in der DDR, die zweite Hälfte in den alten Bundesländern, insgesamt waren Sie bei neun Vereinen aktiv. Wo fühlt sich Uwe Weidemann eigentlich zuhause?

Meine Heimat ist Thüringen.

In Weißensee?

Richtig. Aber heimisch bin ich seit vielen Jahren im Ruhrgebiet. Das ist natürlich dadurch bedingt, dass ich hier bei verschiedenen Vereinen gespielt habe. Aber meine Frau und ich sind schließlich hier auch wirklich heimisch geworden. Ganz einfach, weil uns die Mentalität der Leute gefällt. Sie sind offen, sie sind ehrlich und sagen dir auf den Kopf zu, was sie über dich denken. Diese Geradlinigkeit passt zu mir.

In welcher Stadt leben Sie?

In Bottrop.

Das ist nicht weit von Duisburg. Momentan sind Sie Chefscout beim MSV, richtig?

Nein. (lacht) Chef können wir stehen lassen. Ich bin Chef-Jugendscout. Aber ich arbeite sehr eng mit Dieter Mertens, dem Chefscout der Profiabteilung, zusammen.

1993/94 haben Sie bei den „Zebras“ Ihre vielleicht intensivste Saison erlebt. Erinnern Sie sich an den 18. Februar 1994?

Haben wir da gegen Dynamo Dresden gespielt?

Nein, gegen Werder Bremen…

Alles klar. Wir gewinnen 1:0 durch Peter Közle…

…und sind am 22. Spieltag Bundesliga-Tabellenführer – mit einem Punkt Vorsprung auf Bayern und einem Torverhältnis von minus Eins!

(lacht) Natürlich war es kurios, mit einem negativen Torverhältnis ganz vorn zu stehen. Aber eine Woche später mussten wir schon nach München und haben dort eine Abreibung gekriegt: es stand zur Halbzeit 4:0 für Bayern. In dieser Saison hat jeder jeden geschlagen, es war sehr ausgeglichen und ging unheimlich eng zu. Der MSV Duisburg war vor der Saison aufgestiegen, verschiedene Spieler sind dazu gestoßen, vieles hat gepasst. Hängengeblieben ist auf jeden Fall, dass wir eine phantastische Saison gespielt haben und uns im Nachhinein ärgern mussten, dass wir nicht wenigstens einen UEFA-Cup-Platz erreicht haben.

{media-right}Im August hat der MSV in der 3. Liga das Hinspiel gegen Rot-Weiß Erfurt mit 3:1 gewonnen. Waren Sie mit dabei im Steigerwald?

Nein, ich bin gerade am Wochenende eigentlich permanent unterwegs im Jugendbereich, schaue mir Begegnungen an und sichte Spieler. Deshalb sehe ich kaum Spiele der 1. Mannschaft. Wir haben hier im Ruhrgebiet viele Vereine in unserer unmittelbaren Umgebung, vor allem viele hochkarätige. Es ist eine reizvolle Aufgabe, sich mit diesen Vereinen zu messen. Aber wir wissen auch, dass der MSV sich nicht mit Dortmund oder Schalke vergleichen kann.

Der MSV hat 2013 einen rabenschwarzen Sommer erlebt. Sie sind jeden Tag vor Ort – wie ist die Stimmung in Meiderich?

Die Leute hier waren erstmal total niedergeschlagen. Der MSV Duisburg gehört einfach mindestens eine Liga weiter nach oben. Der Lizenzentzug hat das gesamte Umfeld, die Leute im Verein und vor allem natürlich die Fans sehr mitgenommen. Aber aus der großen Enttäuschung ist mittlerweile Zuversicht gewachsen. Uns wurde viel Solidarität entgegengebracht – von den Fans, aus der ganzen Region und auch von anderen Fußballvereinen wie Schalke, Dortmund oder Bayern, die uns Benefizspiele angeboten haben. Wir müssen jetzt hier alle an einem Strang ziehen und hart dafür arbeiten, um so schnell wie möglich wieder zurückzukommen.

Beim FC Rot-Weiß Erfurt sind Sie groß geworden und haben lange Jahre dort gespielt. Schauen Sie noch regelmäßig hin, was dort passiert?

Natürlich beobachte ich, was in Erfurt passiert. Es gibt einige alte Weggefährten, Spieler und Trainer, die man hin und wieder trifft. Der Trainerkongress zum Beispiel ist jedes Mal eine Kontaktbörse. Und bis 2012 war „Rudi“ Zedi noch in Erfurt aktiv, mit dem ich damals in Düsseldorf zusammen gespielt habe. Wir haben uns nie aus den Augen verloren. Klar sind der Verein und meine Zeit dort schon ziemlich weit weg. Und wenn ich wirklich mal nach Hause komme, nach Weißensee, dann will ich diese Zeit auch meiner Familie widmen. Trotzdem verfolge ich, was in Erfurt passiert. Es ist meine Heimat, und ich wünsche den Erfurtern wie auch allen anderen Ost-Vereinen alles Gute. Ich komme von dort, daraus mache ich auch keinen Hehl. Ich wünsche mir einfach, dass der Fußball-Osten nicht ganz ausblutet.

Herr Weidemann, vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Jan Franke

Dies ist eine migrierte News einer früheren Website-Version der SG Dynamo Dresden. Wir bitten um Verständnis, dass es aus technischen Gründen möglicherweise zu Fehlern in der Darstellung kommen kann bzw. einzelne Links nicht funktionieren.


 

Weitere News

Mehr News der SGD

Ihr Browser ist veraltet.
Er wird nicht mehr aktualisiert.
Bitte laden Sie einen dieser aktuellen und kostenlosen Browser herunter.
Chrome Mozilla Firefox Microsoft Edge
Chrome Firefox Edge
Google Chrome
Mozilla Firefox
MS Edge
Warum benötige ich einen aktuellen Browser?
Sicherheit
Neuere Browser schützen besser vor Viren, Betrug, Datendiebstahl und anderen Bedrohungen Ihrer Privatsphäre und Sicherheit. Aktuelle Browser schließen Sicherheitslücken, durch die Angreifer in Ihren Computer gelangen können.
Neue Technologien
Die auf modernen Webseiten eingesetzten Techniken werden durch aktuelle Browser besser unterstützt. So erhöht sich die Funktionalität, und die Darstellung wird verbessert. Mit neuen Funktionen und Erweiterungen werden Sie schneller und einfacher im Internet surfen können.