Verein
22. Mai 2019 // 15.14 Uhr

„Einige mussten geweckt werden.“

Florian „Pulce“ Schnier war um die Jahrtausendwende einer der Mitbegründer von ULTRAS DYNAMO.

Mitglieder-Interviews zum 3. Dresdner Traditionstag | Teil 3/3: Florian „Pulce“ Schnier


Der „3. Dresdner Traditionstag“ rund um den 66. Vereinsgeburtstag stand in diesem Jahr unter der Überschrift „Dynamo Dresden als Mitgliederverein“.In dem Zuge hat die aktive Fanszene der SGD Interviews mit Vereinsmitgliedern geführt, die wir hier als dreiteilige Serie veröffentlichen.

Im dritten und letzten Teil lest ihr das Gespräch mit Florian Schnier, der vielen Dynamo-Fans als „Pulce“ bekannt ist.

„Pulce“, zu Beginn würden wir gern etwas über deine Person erfahren. Bitte stell‘ dich kurz vor und erzähl‘ uns, seit wann du zu Dynamo gehst.

Gern. Mein bürgerlicher Name ist Florian Schnier, ich bin 36 Jahre alt. Das erste Mal im Stadion war ich in den 80ern. Leider kann ich mich nicht mehr wirklich erinnern, welche Saison es war und gegen wen es ging. Aber seitdem bin ich Fan, es hat sofort gezündet. Um die Jahrtausendwende habe ich dann ULTRAS DYNAMO mitgegründet, später war ich auch mal Vorsitzender der Fangemeinschaft Dynamo und habe bei „Pro RHS“ mitgewirkt (Faninitiative, die sich für den Stadionstandort an der Lennéstraße einsetzte; A. d. Red.).

Wie verfolgst du die SGD heute?

Ich schaue mir die Heimspiele auf meinem Sitzplatz im Block J an, den Luxus gönne ich mir inzwischen. Drei-, viermal pro Saison fahre ich noch auswärts.

Gab es in all den Jahren mal eine Phase, in der du ein wenig auf Abstand gegangen bist?

Ende der 90er Jahre habe ich es mal ein wenig schleifen lassen, in der Zeit war ich nicht zu jedem Heimspiel am Start. Aber Ende 1999 ging es dann wieder richtig los, das war ja die Gründungszeit von UD.

{media-left}Was waren die absoluten Tiefpunkte, an die du dich erinnern kannst?

2000 der Abstieg in die Oberliga, aber auch das Ende der Bundesliga-Zeit mit dem Lizenzentzug. Da hat man schon mitgefiebert und auch mitgelitten. Klar gab es in all den Jahren noch mehr Tiefpunkte, aber diese beiden Momente waren schon sehr prägend.

Du hast 2006 beim Mitgliederbeschluss zur Rückumbenennung des 1. FC Dynamo Dresden in SG Dynamo Dresden eine große Rolle gespielt. Wie kam es dazu?

Die Mitgliedschaft bei Dynamo war damals ziemlich gut vernetzt. Ich selbst kannte durch meine Mitarbeit bei „Pro RHS“ ziemlich viele Vereinsmitglieder. 2006 hatten wir bei ULTRAS DYNAMO die Idee, das mit der Rückumbenennung mal anzugehen. Das kam bei vielen anderen Mitgliedern ganz gut an. Also haben wir zur Mitgliederversammlung im September 2006 einen entsprechenden Antrag gestellt.

Wie lief das auf der MV ab?

Die Versammlung ging bis nach Mitternacht. Erst wollte der damalige Geschäftsführer Volkmar Köster das Thema verschieben. Die Kosten der Umbenennung waren zugegebenermaßen nur schwer überschaubar. Wir haben das trotzdem durchgezogen. Zu später Stunde waren nur noch die Befürworter da. (lacht) Die Kosten waren schließlich doch nicht so hoch, und es war in meinen Augen eine coole Sache. Wir haben uns ein Stück Tradition zurückgeholt, damit konnten sich viele Leute identifizieren.

Wie viele Leute waren damals bei den Mitgliederversammlungen?

Das kann ich nicht mehr sagen, aber an 2006 erinnere ich mich noch ziemlich genau. Anfangs waren es um die 350 Leute, aber zur finalen Abstimmung waren vielleicht noch 150 Mitglieder im Saal. Einige mussten dann eigens geweckt werden.

{media-right}Die Identifikation mit dem alten Namen war also der ausschlaggebende Punkt?

Das kann man so sagen. Im täglichen Sprachgebrauch hieß der Verein eigentlich immer SG Dynamo Dresden, in den Liedern im K-Block haben wir die SGD besungen. Irgendwann haben wir uns gesagt, dass wir das offiziell machen müssen. Von daher war es keine ganz spontane Geschichte, aber auch nicht von langer Hand geplant.

Der 3. Dresdner Traditionstag dreht sich auch um Thema „Mitbestimmung“. Welchen Stellenwert hat diese für dich?

Man hat ja in den 90er Jahren gesehen, was passiert, wenn ein Einzelner das Sagen hat und machen kann, was er will. Da wurden schlimme Verträge abgeschlossen, ohne dass jemand das irgendwie geprüft hätte. Wohin das damals geführt hat, wissen wir alle. Es ist doch viel besser, wenn sich alle aktiv einbringen und den Verein mitgestalten können. Im Laufe der Zeit sind dabei viele gute Sachen rausgekommen.

Zum Beispiel?

In den 2000er Jahren ging es los, da wurde das alte Wappen wieder zurückgeholt. Viele andere Sachen wie der Abbau des enormen Schuldenberges durch die Sonderumlagen oder die Aktion mit den Geistertickets folgten. Das war zwar kein Mitgliederbeschluss, aber solche Dinge funktionieren nur, wenn die Leute das Gefühl haben, ihrem Verein zu helfen. Hätte man irgendwann ausgegliedert, stünde eine einzelne Person an der Spitze des Vereins, wäre sowas denke ich gar nicht möglich. Deshalb ist es wichtig, dass die Mitgliederversammlung das höchste Organ im Verein bleibt. Mir persönlich liegt sehr viel daran, dass Dynamo keine seelenlose GmbH wird.

Was hat dich dazu bewegt, Mitglied zu werden?

Es ging nicht ums Kartenvorkaufsrecht. (lacht) Karten hast du damals immer bekommen, an der Tageskasse, zuhause und auswärts. Damals gehörte es einfach dazu, dass man als treuer Dynamo-Fan auch Vereinsmitglied ist. Es gab ja Zeiten, in denen Dynamo auf jeden Pfennig angewiesen war. Da war es selbstverständlich, dass man mit dem Mitgliedsbeitrag seinen Teil dazu beiträgt.

Neben „Mitbestimmung“ und „Verantwortung“ ist „Leidenschaft“ das dritte Schlagwort beim Thema Mitgliedschaft. Was fällt dir dazu ein?

Jede Menge! Im Stadion ist man leidenschaftlich dabei. Heute, da meine Kinder dabei sind, muss ich mich manchmal etwas zusammenreißen und kann meine Leidenschaft nicht mehr voll ausleben. (lacht) Aber auch wenn man zurückschaut, waren immer viele Emotionen im Spiel. Ob in der Bundesliga, als wir vier Punkte wettmachen mussten und dann die Saison darauf abgestiegen sind. Aber auch später, als es gegen kleinere Vereine ging und wir uns schwergetan haben. Da hat man schon ganz schön gelitten. Ich glaube, das hat die Leute, die diese Zeiten mitgemacht haben, enorm geprägt. Deswegen sind sie heute zum Teil umso leidenschaftlicher dabei.

Letzte Frage: Glaubst du, dass Mitgliedervereine heutzutage Wettbewerbsnachteile haben. Nach dem Motto: „Zu viele Köche verderben den Brei“?

Ich denke, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Auch ein Koch kann die Suppe total versalzen. Die Leute an der Spitze des Vereins sollen in Ruhe arbeiten können. Aber sie dürfen nicht so viel Macht haben, dass sie Dynamo komplett umkrempeln können. In der Breite ist der Verein gut aufgestellt. Und außerdem hebt man sich als Mitgliederverein ja inzwischen schon ab. Das kann auch ein Vorteil sein, weil sich die Leute damit überall viel mehr identifizieren können.

„Pulce“, danke dir für das Gespräch!

Interview: ULTRAS DYNAMO

Titelfoto: Dennis Hetzschold

Fotos im Text: Frank Dehlis (1), Dennis Hetzschold (2)

Dies ist eine migrierte News einer früheren Website-Version der SG Dynamo Dresden. Wir bitten um Verständnis, dass es aus technischen Gründen möglicherweise zu Fehlern in der Darstellung kommen kann bzw. einzelne Links nicht funktionieren.


 

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