Vor dem 2000. Liga-Spiel der Vereinsgeschichte gegen den 1. FC Heidenheim haben wir zum Telefonhörer gegriffen, um mit Dynamos „Chefstatistiker“ Ronny Günther über dieses Jubiläum zu sprechen. Der 45-Jährige, der seit Anfang der 1980er Jahre Daten zu allen Spielen der SGD sammelt, gewährte uns einmal mehr wertvolle Einblicke in sein Lebenswerk.
So förderte „Ronny Günthers Dynamo-Archiv“ unter anderem zu Tage, dass Stefan Kutschke in dieser Saison bereits Historisches gelungen ist. Ronny erklärte uns, was das 3:3 vom vergangenen Sonntag mit einem Spiel vor 21 Jahren im Vogtlandstadion zu tun hat. Außerdem verriet er uns, warum nur Walter Fritzsch erfolgreicher war als Uwe Neuhaus.Ronny, uns geht das Herz auf. Am Mittwoch absolviert die SGD das 2000. Liga-Spiel der Vereinsgeschichte und dank dir und deiner Datenbank wissen wir überhaupt davon!
Ich freue mich darüber, wenn ich andere Menschen mit meinen Zahlen glücklich machen kann.
Hast du für uns spontan deine Lieblingskuriosität unter den vergangenen 1.999 Spielen parat?
Im damaligen Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, kam kurz vor Weihnachten 1972 etwas Aufregung vor einem Liga-Spiel auf, weil Dynamo-Fans die Torpfosten über Nacht schwarz-gelb angemalt hatten. Nachdem eiligst ein Eimer mit weißer Farbe besorgt wurde, konnte die Partie dann aber doch noch pünktlich angepfiffen werden.
Vermerkst du solche Besonderheiten auch in deiner Datenbank?
Ja, ich habe eine Kategorie in meiner Datenbank, in der ich solche Besonderheiten unter „belanglose Anmerkungen“ erfasse.
Du bist 1971 geboren. Wie lange hast du gebraucht, um alle 2.000 Liga-Spiele zu erfassen, die die SGD seit 1950 absolviert hat?
Das kann ich wirklich so genau nicht sagen, da die Datenbank über viele Jahre gewachsen ist. Es sind netto sicher einige Monate oder mehr, die ich seit 1990 dafür verwendet habe.
Hast du das jemals bereut?
Ich habe es nie bereut, weil ich einfach den Ehrgeiz entwickelt hatte, jedes Spiel von Dynamo Dresden mit dazugehöriger Quelle in meiner Datenbank zu erfassen. Und was soll ich sagen – es ist mir geglückt. Dafür hat sich die ganze Mühe doch gelohnt.
{media-left}Am Sonntag hat Stefan Kutschke bereits den zweiten Hattrick der laufenden Saison geschossen. Welche Erkenntnisse ziehen wir statistisch daraus?
Es ist vor Stefan noch nie einem Spieler in unserer Vereinsgeschichte gelungen, innerhalb einer Saison zweimal einen Hattrick zu erzielen. Überhaupt gehören Hattricks eher zu den Ausnahmeerscheinungen in der Dynamo-Historie…
Wie viele waren es denn in den vergangenen 67 Jahren seit dem ersten Liga-Spiel?
Auswärts war es nach Justin Eilers‘ Hattrick 2015 in Regensburg überhaupt erst das zweite Mal.
Und insgesamt?
In den bisherigen 1.999 Liga-Spielen sind erst 16 Hattricks gelungen, dazu noch einer im Sachsenpokal.
Wer war am schnellsten?
Den Rekord bei Dynamo hält in einem Liga-Spiel nach wie vor „Dixie“ Dörner mit drei Toren innerhalb von acht Minuten. Da war Stefan mit zwölf Minuten gegen Braunschweig und jetzt 22 Minuten gegen Stuttgart dann doch noch etwas zu langsam. (lacht)
Das 3:3 am vergangenen Sonntag in Stuttgart haben Spieler und Fans noch nicht so richtig verdaut. Was fangen wir statistisch mit dem Ergebnis an?
Wir haben überhaupt erst zum vierten Mal in der Vereinsgeschichte einen 3:0-Vorsprung verspielt. Das letzte Mal ist uns das 1996 in der Regionalliga Nordost passiert, als wir 3:0 zur Pause beim VFC Plauen geführt haben. Die Partie endete damals ebenfalls 3:3.
Wir können damit leben, wenn sich dieses Ereignis nur aller 21 Jahre wiederholt…
Eine wichtige Erkenntnis ist dann aber auch, dass wir seit 1950 zuhause noch nie eine Drei-Tore-Führung aus der Hand gegeben haben. (lacht)
{media-right}Für uns als Verein ist deine Datenbank Gold wert. Ist es zu viel gesagt, wenn man deine Zahlensammlung als dein Lebenswerk bezeichnet?
Wenn ich mir überlege, wie viel Lebenszeit und Energie ich über all die Jahre reingesteckt habe, dann kann man es schon als mein Lebenswerk bezeichnen, auch wenn das als 45-Jähriger hochgegriffen klingen mag. (lacht)
Welches der 1.999 Liga-Spiele hatte die meisten Zuschauer?
Mit 66.000 Zuschauern hatte Dynamo das größte Publikum beim legendären Auswärtsspiel im September 2005 in der Allianz Arena, wo rund 25.000 Dynamo-Fans den 2:1-Auswärtssieg in der 2. Bundesliga gegen den TSV 1860 München bejubelt haben. Auf Platz zwei folgt nun mit 58.000 Zuschauern das Spiel vom vergangenen Sonntag beim VfB Stuttgart.
Waren zu DDR-Zeiten im ehemaligen Zentralstadion in Leipzig, wo einst 100.000 Zuschauer reingepasst haben, nie mehr dabei als 66.000?
Nein, das Zentralstadion konnte bei dem Duell der beiden sächsischen Rivalen in der DDR nie in einem Liga-Spiel komplett gefüllt werden.
Klammern wir mal die Liga-Spiele aus – was ist die größte Kulisse, vor der die SGD je gespielt hat?
Das war 1991 bei Dynamos bisher vorletztem Europapokalspiel in Belgrad. Die Zahlen weichen je nach Quelle etwas ab. Sicher ist aber, dass damals deutlich über 90.000 Zuschauer im Stadion waren.
Zurück in die Gegenwart – wo ordnen wir statistisch die bisherige Amtszeit von Uwe Neuhaus ein?
Uwe Neuhaus ist ein klasse Trainer, das unterstreicht auch die Statistik. Er hat als Übungsleiter bisher einen Schnitt von 1,84 Punkten pro Spiel geholt und ordnet sich da in die Top Ten der besten Trainer der Vereinsgeschichte ein.
{media-left}Wer hat als Dynamo-Trainer den besten Punkteschnitt?
Wenn man die Qualität der Spielklasse bei der Bewertung des Punkteschnitts hinzuzieht, war wohl nur Walter Fritzsch mit 2,01 Punkten pro Spiel in den vergangenen 67 Jahren erfolgreicher als Uwe Neuhaus.*
Du bist Chefstatistiker der SGD und engagierst dich so ehrenamtlich für die Sportgemeinschaft. Was ziehst du für dich persönlich daraus?
Dynamo ist für mich wie für jeden anderen Fan eine Herzensangelegenheit. Es macht mich glücklich, wenn ich meine Zahlenschätze mit anderen Teilen kann, die sich für die Geschichte unseres Vereins interessieren. Es bringt mir doch auch nichts, wenn die Zahlen hier bei mir rumliegen und niemand davon erfährt. Daher bringe ich mich gerne ein, wenn meine Hilfe bei der SGD gebraucht wird. Außerdem ist es ein schönes Gefühl, wenn man nah an seinem Lieblingsverein dran sein kann.
Wie lautet dein Tipp für das 2000. Liga-Spiel am Mittwochabend gegen Heidenheim?
Ich hoffe natürlich, dass wir gewinnen. Heidenheim ist noch eine der wenigen Mannschaften, gegen die wir eine negative Bilanz haben. Mit einem Sieg können wir diese aber ausgleichen und vielleicht noch mal mit Blick auf das Braunschweig-Spiel für Spannung nach oben in der Liga sorgen. Ich würde es mir wünschen.
Danke dir sehr für das Gespräch und den wieder einmal spannenden Einblick in die Zahlen und Fakten der Vereinsgeschichte, Ronny! Wir sehen uns dann Mittwoch im Stadion.
*umgerechnet nach Drei-Punkte-Regel
Interview: Henry Buschmann
Fotos: Steffen Kuttner
Dies ist eine migrierte News einer früheren Website-Version der SG Dynamo Dresden. Wir bitten um Verständnis, dass es aus technischen Gründen möglicherweise zu Fehlern in der Darstellung kommen kann bzw. einzelne Links nicht funktionieren.
