Einst prägte er als torgefährlicher Weltklasse-Libero mit seinem unverkennbaren Spielstil die erfolgreichste Phase der Vereinsgeschichte der SGD und zählte auch in der DDR-Nationalmannschaft zu den bedeutendsten Fußballern, die jemals das Trikot des DFV trugen.Am Montag feiert Dynamos Ehrenspielführer und langjähriges Aufsichtsratsmitglied Hans-Jürgen „Dixie“ Dörner seinen 70. Geburtstag. Aus diesem Grund haben wir uns mit dem Rekordspieler der Sportgemeinschaft zusammentelefoniert, um mit ihm über seine herausragende Karriere zu sprechen.
Dabei verriet uns das „Geburtstagskind“ unter anderem, wie er diesen besonderen Ehrentag begeht, welcher seiner vielen Titel mit Dynamo ihm am meisten bedeutet und was er seinem Herzensverein bis zu dessen 70. Geburtstag in zwei Jahren wünscht.
Erst einmal herzlichen Glückwunsch zum runden Ehrentag, Herr Dörner. Was wünschen Sie sich selbst am meisten zum 70. Geburtstag?
Gerade in der jetzigen Zeit wünsche ich mir natürlich allen voran Gesundheit, denn das ist das Wichtigste. Und dass wir hier so schnell wie möglich wieder normale Umstände bekommen. Der Lockdown geht schon ziemlich lange. Ich hoffe, dass dieser bald beendet werden kann.
{media-left}Sind sie normalerweise ein Feierbiest oder doch eher der stille Genießer an Ihrem Geburtstag?
Eher der stille Genießer. Groß gefeiert kann ja in diesem Jahr sowieso nicht werden. Eigentlich hatte ich vor, über meinen 70. Geburtstag wieder nach Gran Canaria zu fahren. Hauptsächlich auch wegen des wärmeren Klimas, das mir sehr gut gefällt.
Wie werden die Feierlichkeiten in Zeiten der Corona-Pandemie aussehen?
Es wird natürlich keine große Party geben. Ich bleibe mit meiner Lebensgefährtin zuhause und über den Tag verteilt kommen meine Kinder zu Besuch. Also alles ganz ruhig und der jetzigen Lage angemessen.
Sie sind eine deutsche Fußball-Legende. Wie fällt Ihr Rückblick auf Ihre aktive Karriere aus?
Ich bin damit absolut im Reinen und denke, dass ich eine gute Karriere hatte, vor allem hier bei Dynamo Dresden. Wir haben einige Erfolge gefeiert, sind Meister geworden und haben international gespielt. Dazu durfte ich 100 Länderspiele absolvieren. Was mir leider verwehrt geblieben ist, mitunter auch gesundheitlich bedingt, war die Teilnahme an einer Europa- oder Weltmeisterschaft. Dafür hat mich aber der Gewinn der Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal entschädigt.
Hand aufs Herz: Kein Mensch mit solchen Verdiensten wie Sie möchte mit einem anderen Star seiner Zeit verglichen werden. Wie sehr hat Sie die Bezeichnung „Beckenbauer des Ostens“ genervt?
Als ich noch jung war und dieser Begriff in den Medien aufgekommen ist, war das für mich am Anfang schon mit ein bisschen Stolz verbunden. Aber je mehr ich mich dann hier in Dresden und der Nationalmannschaft als Fußballer entwickelt und meinen eigenen Stil geprägt habe, desto mehr hat mich diese Bezeichnung geärgert.
{media-right}Wer hat diesen ‚Titel‘ eigentlich erfunden?
Ich weiß nicht mehr genau, welcher Journalist das letztlich zuerst sagte oder schrieb. Das war mit einem Mal da. Es könnte natürlich sehr gut sein, dass die Spiele gegen Bayern München 1973 zur Entstehung beigetragen haben.
Fühlen Sie sich heute als Fußballheld zweiter Klasse im Vergleich zu den westdeutschen Fußballhelden Ihrer Zeit?
Ich glaube, dass die Fußballhelden aus dem Westen, wie Sie das gesagt haben, nach wie vor noch mehr im Fokus stehen und gefeiert werden. Aber damit kann ich sehr gut leben. Ich habe eine großartige Zeit als Fußballer bei Dynamo Dresden erleben dürfen und darauf kommt es doch letztlich am meisten an.
Wie erklären Sie einem jungen Menschen, der Sie nicht als Aktiver auf den Platz erleben konnte, heute Ihre Spielerweise?
Als Libero habe ich eine Position gespielt, die es im heutigen Fußball gar nicht mehr gibt. Meine Spielweise war sehr offensiv ausgelegt und ich habe hier in Dresden immer versucht, das Spiel von hinten heraus anzukurbeln und so ein bisschen den Spielmacher zu geben. Das hat meist sehr gut funktioniert, was selbstverständlich aber auch daran lag, dass meine Mitspieler das anerkannt und mich in dieser Rolle entsprechend abgesichert haben. Unsere Mannschaft war immer gut aufeinander abgestimmt.
{media-left}Sie haben das schwarz-gelbe Trikot mit der Rückennummer 3 geprägt. Wie sind Sie eigentlich zu dieser Rückennummer gekommen?
Was meist ein bisschen untergeht: Ich habe bei Dynamo mit der Nummer 10 als Mittelstürmer angefangen. Damals wurde noch ganz einfach nach Positionen von der 1 bis zur 11 durchnummeriert. Da gab es das noch nicht, dass ein Spieler beispielsweise mit der 30 oder 25 auflief. Und als Libero hat man in Dresden nun mal die 3 bekommen. So einfach war das. (lacht)
Sie waren ein europäischer Ausnahmekönner zu Ihrer aktiven Zeit auf dem Platz. Wer waren ihre Kindheitshelden?
In der DDR hatte ich Klaus Urbanczyk als Vorbild. Der spielte während meiner Kindheit in Halle und war als rechter Verteidiger ein bisschen anderer Spielertyp. Mit seiner Einsatzbereitschaft und seinem Willen hat mir Klaus unglaublich imponiert. International waren natürlich gerade die Spieler aus der Bundesliga, wie unter anderen Franz Beckenbauer, diejenigen, zu denen ich aufgeschaut habe und davon träumte, das auch einmal zu erreichen.
{media-right}Wer hat Ihr großes Talent als erstes erkannt?
Ich komme aus Görlitz und dort gab es zu dieser Zeit sehr gute Übungsleiter, die mich gefördert haben. Mein erster war mein Vater, der selbst in Görlitz Fußball spielte. Später gab es einen Bezirksjugendtrainer, der mich 1967 nach Dresden brachte, wo ich unter Kurt Kresse in der A-Jugend anfing.
Was haben Sie Ihrem Vater zu verdanken?
Mein Vater hat mich erst einmal zum Fußball gebracht und in Görlitz trainiert. Auch danach hat er mir immer wieder und gerade in schwierigen Phasen geraten, bei der Stange zu bleiben. Unter den damaligen Bedingungen war es ja mitunter nicht so leicht, dem Fußballsport nachzugehen.
Was war Ihr wichtigstes Spiel?
Oh, da fallen mir mehrere ein. Dabei denke ich vor allem an die entscheidenden Spiele im FDGB-Pokal oder in der Meisterschaft. Die bleiben ewig in Erinnerung. Natürlich sind auch die internationalen Partien mit Dynamo gegen Ajax Amsterdam, Juventus Turin oder Bayern München Momente, die ich nie vergessen werde.
Was war Ihr schönstes Tor?
Mein schönstes Tor für mich persönlich war ein Freistoßtreffer gegen den BFC Dynamo im FDGB-Pokal 1985 in Berlin zum 1:0. Am Ende haben wir dann 2:1 gewonnen, wenn ich mich richtig erinnere.
Sie haben zusammen mit Ihren Mannschaftskollegen eine Ära bei der SGD geprägt. Wie ist heute der Kontakt zu Ihren ehemaligen Mitspielern?
Ich habe zu einigen immer noch einen sehr guten Draht und wir haben weiterhin einen starken Zusammenhalt. Vor Corona trafen wir uns regelmäßig zu den Dynamo-Spielen im Rudolf-Harbig-Stadion. Zu Dieter Riedel, Udo Schmuck und Hartmut Schade ist deshalb die Verbindung bis heute noch sehr eng.
{media-left}Wo ordnen Sie die Jahrhundertniederlage im Jahr 1986 gegen Uerdingen heute ein – haben Sie Ihren Frieden damit machen können?
Ja, mittlerweile auf jeden Fall. Damit werde ich natürlich heute noch sehr oft konfrontiert (lacht), aber die Zeit ist so weit fortgeschritten, dass ich darüber längst hinweg bin. Es war zweifellos die schlimmste Niederlage, die ich in meiner Laufbahn erlebt habe – ohne Frage auch für den Verein. So etwas kann man nicht erklären. Wir haben die letzte halbe Stunde in Uerdingen total versagt und keinen Fuß mehr auf den Rasen bekommen. Dazu muss man aber sagen, dass es auch in der heutigen Zeit nach wie vor Spiele gibt, bei denen man sich am Ende fragt, wie ein solches Ergebnis überhaupt zustande kommen konnte. So gesehen ist unsere Partie in Uerdingen also keineswegs ein Einzelfall.
Sie sind Ehrenspielführer und der wohl beste Spieler der Vereinsgeschichte. Gibt es rückblickend etwas, das Sie heute anders machen würden?
Also prinzipiell bin ich mit den Dingen, wie sie in meiner Karriere gelaufen sind, sehr zufrieden. Ich hätte mir natürlich gewünscht, zu meiner Zeit mit Dynamo mal ins Halbfinale des Europapokals zu kommen. Das wäre in Uerdingen und auch ein Jahr zuvor gegen Rapid Wien möglich gewesen. Zudem wäre ein anderer Abschied von der internationalen Bühne schön gewesen, da die bittere Niederlage in Uerdingen gleichzeitig mein letztes Spiel im Europapokal war.
Kein Spieler hat mehr Spiele absolviert, keiner hat öfter die Kapitänsbinde getragen. Sie haben viele Meisterschaften und Pokale gewonnen. Was war der wichtigste Titel für Sie?
Für mich war die erste Meisterschaft 1971 der wichtigste Titel, weil wir zu diesem Zeitpunkt erst seit zwei Jahren wieder in der DDR-Oberliga spielten. Dementsprechend hatte niemand erwartet, dass wir uns innerhalb dieser kurzen Zeit so entwickeln. In der ersten Saison 1969/70 sind wir noch Dritter geworden und holten ein Jahr darauf dann sogar das Doppel aus Meisterschaft und Pokal. Für den Verein und auch die ganze Stadt Dresden war das eine Riesensensation. Das bleibt ganz einfach hängen.
{media-right}Ihr Herzensverein feiert in zwei Jahren 70. Geburtstag. Was soll für Dynamo Dresden bis 2023 in Erfüllung gehen.
Selbstverständlich wünsche ich mir, dass wir bereits in dieser Saison wieder aufsteigen und uns anschließend in der 2. Bundesliga etablieren und stabilisieren, um dann das langfristige Ziel erste Liga in Angriff nehmen zu können.
Sie schauen regelmäßig beim Training vorbei, sind bei den Spielen im Stadion und sitzen im Aufsichtsrat des Vereins. Wann wollen Sie sich zur Ruhe setzen?
Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Das hängt natürlich auch davon ab, wie ich mich fühle und es gesundheitlich bei mir aussieht. Solange es mir gut geht und Spaß macht, werde ich für den Verein weiterarbeiten. Das steht für mich außer Frage.
Welcher Gratulant darf an Ihrem 70. Geburtstag nicht fehlen?
Wünschen würde ich mir schon, dass die Traditionsmannschaft in Person von Dieter Riedel und Hartmut Schade bei mir anruft. Aber ich bin mir sicher, dass ich da nicht vergessen werde.
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, Herr Dörner. Wir wünschen Ihnen einen schönen 70. Geburtstag im Kreise der Familie, weiterhin bestes Gelingen bei der SGD und natürlich vor allem Gesundheit.
Interview: Henry Buschmann & Marcel Devantier
Dies ist eine migrierte News einer früheren Website-Version der SG Dynamo Dresden. Wir bitten um Verständnis, dass es aus technischen Gründen möglicherweise zu Fehlern in der Darstellung kommen kann bzw. einzelne Links nicht funktionieren.