Er ist in dieser Saison erneut von großem Verletzungspech verfolgt und musste sich, nachdem der Versuch einer konservativen Behandlung seines verletzten rechten Knies nicht den gewünschten Erfolg brachte, vor Kurzem einer Operation unterziehen, die für ihn das vorzeitige Saisonaus bedeutete.Trotzdem konnte Dynamos Mittelfeldmann Marco Hartmann in einer ganz wichtigen Phase dieser Spielzeit auf dem Platz zeigen, was in ihm steckt, wenn ihm sein Körper keinen Strich durch die Rechnung macht. Nun stellt der 33-Jährige einmal mehr seine unerschütterliche Stehaufmännchen-Mentalität unter Beweis.
Im Interview spricht der dienstälteste Spieler der Sportgemeinschaft, der bereits die achte Saison für Schwarz-Gelb absolviert, über seine derzeitige Situation, erklärt, warum er seinen im Sommer auslaufenden Vertrag bei Dynamo gerne verlängern würde und wagt einen Blick in die ungewisse Zukunft.
Wie geht es dir und was macht das operierte Knie, Marco?
Es geht mir relativ gut. Der Tag direkt nach der Operation war echt komisch, weil du denkst, dass das Bein irgendwie nicht mehr zu dir gehört. Aber das wurde dann sehr schnell von Tag zu Tag besser. Im Moment kann ich mich wirklich nicht beschweren. Ich kann und soll das Bein zwar noch nicht beugen und strecken, aber ansonsten bin ich mit den Krücken schon wieder recht mobil.
{media-left}So viel zu deinem physischen Zustand. Wie geht es deiner Psyche?
Es könnte in dieser Situation deutlich schlimmer sein. Ich hatte länger Zeit, mich damit gedanklich zu beschäftigen, weil im Februar schon so ein bisschen das Gefühl aufkam, dass es leider nicht so wie ursprünglich geplant funktionieren wird. Dann kam das erste Training, bei dem ich direkt gemerkt habe, dass sich wieder etwas gelöst hat. Dieser Tag war extrem enttäuschend, aber ich bekomme es in solchen Momenten dann meistens einigermaßen schnell wieder hin, meinen Fokus auf die notwendigen nächsten Schritte zu richten. Diese Ungewissheit, wie es im Sommer weiterlaufen wird, ist natürlich nicht einfach, aber auch das ist nichts, was mich nachts nicht schlafen lässt.
Woher nimmst du die Kraft nach solchen Rückschlägen immer wieder diese Stehaufmännchen-Mentalität an den Tag zu legen?
Das weiß ich selbst nicht so genau. Ich bin einfach der Meinung, dass es noch deutlich schlimmere Dinge im Leben gibt. So eine Verletzung ist ohne Zweifel nicht schön, aber jetzt auch nicht so gravierend, dass ich für die Zukunft größere gesundheitliche Probleme oder Einschränkungen erwarten müsste. Ich habe viele Gedanken im Kopf, die positiv sind und Hoffnung machen.
Viele Leistungssportler, die nicht so ein großes Verletzungspech wie du haben, sprechen gerne von Dingen wie Rhythmus und dergleichen. So etwas konntest du während deiner gesamten Laufbahn nie wirklich aufnehmen. Kann man trotz dieser Brüche eine gewisse Routine im Laufe einer Karriere entwickeln?
Ich glaube schon, dass das geht. Gerade in den letzten Jahren war das zumindest bei mir der Fall. Ich denke, dass ich jemand bin, der nicht sonderlich viel Anlaufzeit braucht, um Leistung zu bringen. Das ging auch nach einer Verletzung immer recht schnell. Aber selbstverständlich wäre es besser, insgesamt mal länger dabei zu sein. Vor allem belastet dieses Thema einen dann, wenn man oft dazu gefragt wird und viel darüber reden muss. Das ist eher anstrengend.
{media-right}Bist du im Nachhinein dankbar, dass du gerade während deiner Zeit beim Halleschen FC neben deiner Arbeit als Fußball-Profi die Strapazen eines ambitionierten Studiums auf dich genommen hast?
Das ist schon ein Punkt, der für mich den Blick in die etwas weiter entfernte Zukunft tatsächlich sehr entspannt macht, weil ich eine ganz gute Perspektive als Alternative habe. Ich kann selbstverständlich schwer sagen, was jetzt wäre, wenn ich das Studium nicht gemacht hätte, aber das gibt mir heute auf jeden Fall eine gewisse Sicherheit. Ich glaube, das braucht jeder Mensch, gerade auch wenn man Familie hat und somit eine große Verantwortung nicht nur für sich selbst trägt.
Du hast in den zurückliegenden Tagen sicherlich auch privat sehr viele Nachrichten bekommen, als die Meldung von deinem erneuten Ausfall verkündet werden musste. Dazu die ganzen Presseberichte und Reaktionen in den Sozialen Medien … Welchen Umgang hast du für dich mit den Begleiterscheinungen gefunden?
Also privat haben mir sehr viele Leute geschrieben, was immer ein schönes Gefühl ist, weil diejenigen, die dir schreiben, natürlich meist positive Gedanken und Grüße schicken. Denen antworte ich auch immer gerne. Es ist schön, wenn du merkst, dass die Menschen an dich denken und mitempfinden. Das Thema mit der Presse ist schon unangenehmer, was aber keinesfalls an den Journalisten, sondern vielmehr an dem Thema an sich liegt, weil man sich immer mit dem Gleichen beschäftigen muss. Ich kann dann keine neuen Antworten erfinden oder liefern. Dass ich mich nach außen hin immer wieder erklären muss, ist das Anstrengendste an der Thematik. Aber ich habe das Gefühl, dass man da mittlerweile auch ein bisschen Rücksicht auf mich nimmt.
{media-left}Du hast definitiv den Willen und den Geist für den Profi-Fußball. Haderst du manchmal damit, dass du nicht den Körper dafür hast, um viele Jahre am Stück ohne Verletzungen professionell Fußball spielen zu können?
Wenn ich jetzt etwas anderes behaupten würde, wäre ich wohl ein bisschen naiv. Leider hatte ich in den vergangenen Jahren viele Verletzungen und es ist nicht klar, wieso das so ist. Ich habe schon häufiger versucht, darüber zu philosophieren, aber auch da kommst du nicht an den Punkt, an dem du sagst: ‚Genau so ist es.‘ Du tappst die ganze Zeit ein bisschen im Dunkeln. Auch bei dieser Verletzung ist es ganz schwer einzuschätzen, woher sie kommt und wieso das Ganze so passiert ist. Deswegen verdränge ich diese Frage meist und richte erst mal den Blick nach vorne.
Macht es dir Hoffnung, dass du in dieser Saison, auch wenn du ganz wenig gespielt hast, in einer wichtigen Phase da warst, in der du dem Team eine große Stabilität gegeben hast und ihr eine Siegesserie gestartet habt, von der die Mannschaft im Prinzip tabellarisch heute noch profitiert?
Gerade im Vergleich zum letzten Jahr, als ich mich auch schon in einer ähnlichen Situation befand, weil mein Vertrag im Sommer ausgelaufen wäre, ist das etwas, was ein ganz anderes Gefühl hinterlässt. Auch wenn es nur fünf Spiele waren, konnte ich in dieser Spielzeit zeigen, dass ich absolut in der Lage bin, hier auch sportlich etwas Positives beizutragen. Das hat richtig gutgetan und ich habe diese Phase sehr genossen, was mir auch jetzt noch etwas gibt. Ich denke, jeder sucht als Fußballer irgendwie nach dieser Bestätigung und strebt immer wieder danach. Die habe ich in dieser Zeit bekommen, was mich natürlich auch an den Punkt bringt, an dem es für mich schwer wäre zusagen, ich höre jetzt auf, weil ich eben das Gefühl habe, dass ich nach wie vor auf dem Platz helfen kann, wenn ich gesund bin.
Gab es schon Gespräche mit den Verantwortlichen des Vereins, wie es über den Sommer hinaus für dich weitergehen könnte?
Wir sind gerade in Gesprächen. Aber es gibt noch nichts Konkretes zu vermelden. Im Moment ist alles noch schwer zu planen, gerade auch im Hinblick auf die Ligen-Zugehörigkeit, wie es eben oft im Fußball ist. Da werden wir uns jetzt in Ruhe unterhalten. Durch die Operation werde ich voraussichtlich drei Monate ausfallen. Im vierten werde ich dann wahrscheinlich wieder mit der Mannschaft trainieren können. So ist erst einmal der Plan und dann wird man sehen, wie die Perspektive des Vereins ist und inwiefern man mich als Spieler einbinden kann. Ich hätte da auf jeden Fall Bock drauf, aber es muss am Ende selbstverständlich auch für beide Seiten passen und Sinn machen. Ich will keiner sein, der eine Art Anhängsel ist, das man nicht loswird, sondern jemand, der wirklich gebraucht und aus diesem Grund mitgenommen wird.
{media-right}Wäre es ein Traum im Mai 2022 vor dem dann hoffentlich wieder vollen K-Block zu stehen und die Karriere als Zweitliga-Profi von Dynamo Dresden zu beenden?
Das wäre unfassbar cool und ist auch einer der Gründe, warum ich jetzt nicht auf diese Art und Weise aufhören will. Zum anderen ist es immer noch so, auch wenn es einige bestimmt nicht mehr hören können, dass ich mich in der Lage fühle, die dafür notwendigen Leistungen zu bringen. Es braucht sich auch keiner Sorgen aufgrund meines Körpers zu machen. Der ist nicht in einem Zustand, dass ich nach der Karriere direkt in den Rollstuhl müsste. Das sind zwei grundlegende Punkte. Natürlich gibt mir keiner die Garantie, dass ich, selbst wenn es im Sommer weitergehen würde, im Mai 2022 dann tatsächlich auch in Fußballschuhen vor dem K-Block stehen könnte, aber das ist definitiv ein Traum von mir und eine große Motivation. Insgesamt ist dieses Gefühl vor Zuschauern zu spielen etwas unbeschreiblich Schönes, was man im vergangenen Jahr ja leider fast verlernt hat. Dementsprechend wäre das ein wesentlich besserer Abschied, als wenn es nicht weitergehen würde.
Mit Volker Oppitz und Maik Wagefeld gibt es nur zwei Spieler, die nach der Wende länger für Dynamo gespielt haben. Ist das eine Statistik, die dir etwas bedeutet?
Klar bedeutet mir das etwas. Das ist aber nichts, auf das ich irgendwie bewusst hingestrebt habe, sondern liegt einfach an meiner Natur. Wenn ich mich irgendwo wohlfühle, bin ich niemand der wegrennt, sondern lieber dableibt. Und hier habe ich mich ab dem ersten Tag wohlgefühlt. Deswegen werde ich auch im Sommer jetzt nicht wegrennen. Das ist für mich relativ fix.
Nach der Karriere ist eine Weltreise mit der Familie geplant. Wo soll die beginnen und wo enden?
Sollte sie im Sommer 2022 beginnen, wäre der Startpunkt voraussichtlich Kanada. Anschließend geht es immer mit der Sonne Richtung Süden weiter. Ich fühle mich bei 20 Grad und wärmer am wohlsten, wenn möglich in Verbindung mit schwimmen gehen. Ein genauer Endpunkt steht noch nicht fest. Es gibt so ein paar bereits durchdachte Überlegungen, weil es gewisse Reisezeiten gibt. Über den Winter stünde Neuseeland und Australien auf dem Plan. Aber wo die Reise dann endet – keine Ahnung. Vielleicht irgendwo im Südpazifik.
{media-left}Wie viel Abenteuer muss dann dabei sein, also im Sinne von Lagerfeuer, Campingkocher, Zelt und Wohnmobil?
Der ein oder andere Hotelaufenthalt wird bestimmt auch dabei sein. Da kommt man nicht drum herum. Ein Wohnmobil ist gerade mit zwei kleinen Kindern eine gute Sache, weil man reisen kann, aber dabei trotzdem immer alles an einem Ort hat, ohne ständig aus- und wieder einpacken zu müssen. Und man kann dieses etwas langsamere Reisen, was mit Kindern durchaus Sinn macht, trotzdem flexibel gestalten. Ansonsten werden wir aber bestimmt auch mal für ein paar Wochen eine Wohnung, einen Bungalow oder dergleichen mieten. Ich glaube, dass wir auf der Reise nicht sonderlich arbeiten werden, weil wir mit den Kinder schon genug Arbeit haben werden. (lacht)
Du bist ein bodenständiger Mensch, der sehr sparsam gelebt hat. Ist das das größte Privileg deiner Profikarriere, dass du dir noch mal so ein Jahr nehmen kannst?
Auf jeden Fall. So etwas kannst du nur dann machen, wenn du ganz gut verdient hast im Fußball. Ich habe meinen Lebensstandard über die ganzen Jahre relativ entspannt gehalten, sodass da ein bisschen was abgefallen ist. Die Weltreise ist das, was wir uns als Familie damit dann ermöglichen können. Damit ginge für mich dann ein echter Lebenstraum in Erfüllung.
Vielen Dank für das Gespräch, Marco. Weiterhin eine gute und schnelle Genesung. Wir drücken die Daumen, dass alles so kommt, wie du dir das vorstellst.
Interview: Henry Buschmann & Marcel Devantier
Dies ist eine migrierte News einer früheren Website-Version der SG Dynamo Dresden. Wir bitten um Verständnis, dass es aus technischen Gründen möglicherweise zu Fehlern in der Darstellung kommen kann bzw. einzelne Links nicht funktionieren.