1. Mannschaft
22. November 2019 // 16.10 Uhr

„Ich wollte, aber mein Körper konnte nicht mehr.“

Bundesliga-Fußball 1992 im Rudolf-Harbig-Stadion und Uwe Jähnig beim 0:0 gegen Borussia Dortmund mittendrin. | Foto: imago images / Claus Bergmann

Interview mit Uwe Jähnig


Er gehörte zu den großen Talenten des DDR-Fußballs und trug das Trikot der SGD insgesamt 13 Jahre lang. In dieser Zeit gewann Uwe Jähnig zwei DDR-Meisterschaften und den FDGB-Pokal. Nach 157 Pflichtspielen wechselte der sprintstarke Offensivspieler im Sommer 1995, nach Dynamos Zwangsabstieg aus der Bundesliga in die Drittklassigkeit, zum Hamburger SV.

Vor dem Aufeinandertreffen seiner beiden Ex-Vereine in der 2. Bundesliga haben wir mit dem 50-jährigen Dresdner über seine vom Verletzungspech geprägte Zeit beim HSV und die schwere Phase nach seinem frühen Karriereende gesprochen. Außerdem verriet uns der 100-fache DDR-Junioren-Nationalspieler, warum er von seinen Mannschaftskollegen den Spitznamen „Designer“ verpasst bekam.Was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie an Ihre Zeit beim HSV zurückdenken?

Meine Zeit in Hamburg liegt bald 25 Jahre zurück. Es war für mich als Fußball-Profi leider keine sehr erfolgreiche Zeit – auch wenn ich mich gern daran zurückerinnere. In zwei Jahren habe ich gerade mal 15 Bundesliga-Spiele für den HSV absolvieren können. Das war letztlich eine große Enttäuschung für mich, da ich im Sommer 1995 mit ganz anderen Erwartungen nach dem Zwangsabstieg von Dynamo nach Hamburg gegangen bin.

Nach den beiden Jahren in Hamburg war Schluss: Karriereende als 27-Jähriger…

Im besten Alter eines Fußballers. Ich konnte mein Pech kaum fassen. Vier Jahre zuvor wollte mich noch Eintracht Frankfurt als Spitzenmannschaft der Bundesliga für 2 Millionen D-Mark aus meinem Vertrag in Dresden rauskaufen, und plötzlich stand ich sportlich vor dem Nichts. Ich wollte, aber mein Körper konnte nicht mehr.

Was hat Ihnen so zu schaffen gemacht?

Seit einem unglücklichen Aufprall nach einem Fallrückzieher bei einem Training in Hamburg hatte ich anhaltende Rückenbeschwerden, die irgendwann so große Probleme verursacht haben, dass ich aufgrund der Schmerzen an einer Operation nicht mehr vorbeigekommen bin. Danach haben mir die Ärzte klipp und klar gesagt, dass meine aktive Zeit im Leistungssport vorbei ist. Ich hatte einen Spalt zwischen dem dritten und vierten Wirbel, der für mich von da an eine Karriere als Profi-Fußballer unmöglich machte.

{media-left}Wie lange haben Sie gebraucht, um das zu verarbeiten?

Heute kann ich mit Abstand ehrlich sagen, dass ich am Boden zerstört war – für eine sehr lange Zeit.

Was ist da in Ihrem Leben weggebrochen?

So lange ich denken kann, war in meinem Leben alles auf den Fußball als Leistungssport ausgerichtet. Das war von einem auf den anderen Tag weg. Und ich war einfach nicht darauf vorbereitet. Ich wollte auch nach meiner Zeit in Hamburg unbedingt weiter Fußballspielen – egal in welcher Spielklasse – und habe dafür jeden Spezialisten besucht, den ich kontaktieren konnte. Aber es war vorbei – niemand konnte mir helfen. Bis ich mich damit endgültig abgefunden habe, sind rückblickend Jahre vergangen.

Der HSV hat für Sie im Sommer 1995 eine Ablöse bezahlt. Wissen Sie, wie tief der HSV für Ihre Dienste in die Tasche greifen musste?

Ich wurde damals ja im Doppelpack mit Sven Kmetsch zum HSV transferiert. Ich glaube, dass die Hamburger um die 750.000 Mark für uns beide nach Dresden überwiesen haben, das war sicher nicht das schlechteste Geschäft für den HSV. Auch wenn das damals im Fußball noch relativ viel Geld war. Heute müsste man an die Ablösesumme wahrscheinlich noch eine Null hinten dran hängen. (lacht)

Sie haben insgesamt 99 Mal in der Bundesliga gespielt. Wurmt es Sie, dass sie den 100. Einsatz denkbar knapp verpasst haben?

Nein, darüber habe ich noch nie nachgedacht. Es soll nicht überheblich klingen, aber mit meinem Talent hätte ich deutlich mehr als 100 Bundesliga-Spiele machen können.

{media-right}Was wäre ohne das andauernde Verletzungspech für Sie möglich gewesen?

Ich gehörte ganz sicher zu den größten Talenten meines Jahrgangs in der DDR. Fußball war mein Leben. Ich habe als Nachwuchsspieler immer ein oder zwei Altersklassen weiter oben mittrainiert und gespielt, weil ich mit meinem enormen Tempo gute Voraussetzungen hatte und mich so auch gegen Ältere durchsetzen konnte. Wir haben außerdem in der Jugend so oft auf Hartplätzen bei Dynamo trainiert und gespielt. Vielleicht war das für meinen Körper im Nachhinein manchmal zu viel, denn ich hatte über meine gesamte Profi-Karriere mit meiner Gesundheit zu kämpfen, bin oft aufgrund von Verletzungen ausgefallen.

Welcher Trainer hat die meisten Spuren hinterlassen?

In meiner Zeit bei Dynamo und dem HSV hatte ich mit Eduard Geyer und Felix Magath die wohl härtesten deutschen Trainer jener Zeit. Es war nicht immer angenehm, aber wir hatten die nötige Robustheit und Fitness für die volle Spieldauer, weil wir auch im Training immer sehr viel gelaufen sind. (lacht)

Am 11. Februar 1996 spielten Sie mit dem HSV auf schneebedecktem Boden gegen Bayern München. Sie saßen bei klirrender Kälte fast 70 Minuten auf der Bank und schossen sich kurz vor Spielende in die Geschichtsbücher des HSV...  

Das war natürlich etwas ganz Besonderes – vielleicht das Highlight meiner gesamten Laufbahn. Vor 60.000 Zuschauern im ausverkauften Volksparkstadion gegen den FC Bayern München in der 89. Spielminute das 2:1-Siegtor zu erzielen, hat mich unheimlich stolz gemacht. Die Stimmung in dieser alten Schüssel war gigantisch. Mit Lothar Matthäus, Jürgen Klinsmann und Oliver Kahn standen eine ganze Reihe Legenden des deutschen Fußballs für den Gegner auf dem Platz. Ein unvergesslich schöner Moment.

{media-left}In der Kabine gehörten Sie eher zu den ruhigeren Zeitgenossen, dafür besaßen Sie den einen oder anderen exotischen Spitznamen. Warum wurden Sie in Dresden von Ihren Mannschaftskollegen „Designer“ genannt?

(lacht) Wir waren ja bereits in jungen Jahren als Fußballer relativ privilegiert und konnten uns das ein oder andere Kleidungsstück zulegen, was sich damals nicht jeder ohne weiteres leisten konnte. Ich habe früh ein Faible für Mode entwickelt und mich gern gut gekleidet. Die Reaktionen meiner Mannschaftskollegen sind dann entsprechend ausgefallen, wenn ich mit neuen Klamotten in der Kabine aufgetaucht bin. Da gab es dann schon mal den einen oder anderen Lacher – so musste ich mit dem Spitznamen „Designer“ bei Dynamo leben. In Hamburg hat das dann später aber niemanden interessiert.

Im August sind Sie 50 Jahre alt geworden. Was ist von Ihrer Zeit als Fußball-Profi geblieben?

Viele schöne Erinnerungen, die mir keiner nehmen kann. Ich wäre auch gern nach meiner Karriere im Fußball geblieben, aber so richtig hat das nicht funktioniert. Ich habe mich als Trainer im Amateurbereich ausprobiert und dann nebenbei in einer Spielerberateragentur mitgearbeitet. Jetzt ist eine Tätigkeit im Fußball kaum mehr mit meinem Beruf im Universitätsklinikum als Mitarbeiter in der Abteilung Einkauf, Logistik und Transport zu vereinbaren. Da arbeite ich im Schichtdienst und helfe nebenbei noch bei meiner Frau im Geschäft „Malkasten“ in der Dresdner Neustadt aus. Ich bin in einem ganz normalen Leben angekommen und nicht unglücklich damit. Aber vielleicht öffnet sich ja noch mal eine Tür im Fußball irgendwo.

Sie haben insgesamt 13 Jahre für Dynamo Dresden gespielt. Wie eng verfolgen Sie die Spiele Ihres Ex-Vereins noch?

Die Spiele von Dynamo verfolge ich eigentlich alle – entweder zuhause vor dem Fernseher oder live im Stadion. Dann trifft man auch immer den einen oder anderen Bekannten und schwatzt kurz über die alten Zeiten.

Am Samstag kommt es zum Aufeinandertreffen Ihrer beiden ehemaligen Vereine. Wie geht das Spiel im Volksparkstadion aus?

Zuletzt konnten wir uns leider nicht über sehr viele Dresdner Siege freuen, daher wäre ich schon mit einem Unentschieden in Hamburg zufrieden. Denn Dynamo braucht momentan jeden Punkt in der 2. Bundesliga.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Jähnig, und alles Gute für die Zukunft.

Interview: Henry Buschmann

Fotos: Imago Images

Dies ist eine migrierte News einer früheren Website-Version der SG Dynamo Dresden. Wir bitten um Verständnis, dass es aus technischen Gründen möglicherweise zu Fehlern in der Darstellung kommen kann bzw. einzelne Links nicht funktionieren.


 

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