Dynamo Dresden hat in seiner Historie schon viele Spiele erlebt, die das Prädikat „verrückt“ oder „außergewöhnlich“ verdienen. Schöne Erlebnisse haben sich mit tragischen Momenten in aller Regelmäßigkeit abgewechselt. Als treuer Anhänger der Sportgemeinschaft meint man überzeugend, alles schon erlebt zu haben, was der Fußball so zu bieten hat. Mit dem Auswärtsspiel in Rostock erweitert sich das Spektrum besonderer Ereignisse in der unverwechselbaren Fan-Karriere der Schwarz-Gelben. Und das, was hoch im Norden auf den Verein aus der sächsischen Landeshauptstadt zukommt, hat garantiert noch kein Schwarz-Gelber erlebt. Maximal nur dann, wenn er der Alemannia aus Aachen die Daumen drückt, die im Januar 2004 das erste Geisterspiel der bundesdeutschen Fußballgeschichte gegen den 1. FC Nürnberg bestreiten musste. In der zweiten Auflage dieser sonderbaren Konstellation treffen nun die beiden Vereine aufeinander, die gemeinsam im Sommer aus der dritten Liga kamen und deren sportlicher Saisonverlauf kaum unterschiedlicher ausfallen könnte.
Die Hanseaten haben bisher erst ein Spiel gewonnen und halten mit elf Punkten die Rote Laterne in den Händen. Dynamo darf sich dagegen über fast doppelt so viele Punkte und einen komfortablen Aufenthalt im Mittelfeld der Tabelle freuen. Die Vorzeichen scheinen deshalb vor der Partie am Sonntag deutlich zu sein, doch Dynamo-Trainer Ralf Loose sieht seine Mannschaft keinesfalls in der Favoritenrolle. „Wir wissen, dass auf uns ein Gegner wartet, der unbedingt gewinnen will und deshalb beherzt zur Sache gehen wird. Wenn man genau hinschaut, hat Hansa in Spielen genauso oft wie wir gepunktet. Auf Marek Mintal müssen wir besonders aufpassen, weil er sich zuletzt in guter Form präsentiert hat“, warnt der Coach davor, die Rostocker zu unterschätzen. Für ihn gibt es keinen Grund, mit einer anderen Einstellung als sonst in dieses wichtige Spiel zu gehen. „Man muss sich vielleicht nur überlegen, wie man sich verbal äußert und miteinander kommuniziert, weil die Worte sonst zu schnell auf der Pressetribüne landen“, meint Ralf Loose und will sich deshalb auch gar nicht intensiver mit den äußeren Rahmenbedingungen beschäftigen. Neben Cristian Fiel wird zudem auch Muhamed Subasic fehlen, während die angeschlagenen Giannis Papadopoulos und Florian Jungwirth mit an die Ostsee fahren. Der Trainer gibt sich aber kämpferisch und will das Jahr erfolgreich beenden, bevor alle in den wohlverdienten Weihnachtsurlaub fahren können. „Wir haben ein Meisterschaftsspiel vor uns, in dem es um Punkte geht und deshalb werden wir alles daran setzen, ein gutes Spiel zu machen. Wir gehen hochmotiviert an die Sache heran.“
Romain Brégerie, der im letzten Spiel gegen Cottbus zum ersten Mal als Dynamo-Kapitän auflief, lässt ebenso keine Zweifel aufkommen, das anstehende Spiel auf die leichte Kappe zu nehmen oder sich von leeren Tribünen beeinflussen zu lassen. „Wir sind Profis und dürfen während der 90 Minuten nicht daran denken. Unsere Konzentration gehört dem Gegner. Wir müssen unsere Aufgaben erfüllen“, sagt der Franzose. Trotzdem hat er ein Gefühl dafür, welche bittere Pille die Anhänger beider Mannschaften schlucken müssen: „Natürlich ist es schlecht für die Fans, bei diesem Ostduell nicht dabei sein zu dürfen. Wir spielen ja Fußball in erster Linie für die Zuschauer und das Spektakel ist mit ihnen wesentlich größer.“ Die Marschrichtung der Mannschaft ist deshalb für Romain Brégerie klar – das Team will für die schwarz-gelben Fans gewinnen, die zahlreich vor dem TV-Bildschirm oder anderweitig mitfiebern werden. „Und bei einem Tor für uns vielleicht so laut schreien, dass wir den Jubel bis ins Stadion hören können“, schmunzelt der 25-Jährige und verspricht vollen Einsatz.
Mit einem Unentschieden trennten sich beide Vereine im Juli bei ihrer ersten Saisonbegegnung in Dresden. Die Führung der Gäste durch Björn Ziegenbein konnte Pavel Fort erst in der Schlussphase ausgleichen. Mittlerweile hat Dynamo die Rostocker überholt und kann als Aufsteiger die wesentlich bessere Zwischenbilanz ziehen. Die Gastgeber dürfen jedoch auf den Besen-Effekt hoffen, der bekanntlich besser kehren soll. Mit Wolfgang Wolf haben die Ostsee-Kicker seit zwei Wochen einen neuen Trainer, der die Kogge wieder ins ruhige Fahrwasser steuern soll. Ob das gelingt, ist eine der spannende Fragen, die am Sonntag beantwortet werden. Das Spiel wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen. Weil der Ossi aber erfinderisch ist, haben sich die Mecklenburger etwas einfallen lassen. Virtuelle Eintrittskarten sollen den finanziellen Schaden genauso mindern wie extra angefertige T-Shirts mit dem Motto „Sportsgeist statt Geisterspiel“. Wer seine bereits gekaufte Eintrittskarte nicht zurückgibt, erhält als kleines Dankeschön außerdem einen Aufkleber mit dem gleichen Slogan. Weil beide Klubs zudem den gleichen Hauptsponsor haben, gab es schon im Hinspiel an der Elbe eine Sonderaktion. Dynamo Dresden lief mit dem Spruch „Love Dynamo! Hate Racism!“ auf. Diesmal sind es die Hanseaten, die sich mit einer symbolischen Botschaft an die Fußballwelt wenden: „Nur unsere Herzen sollen brennen“.
Mit diesen Aktionen wird deutlich, dass Fußball verbinden kann. Bei Hansa Rostock wie auch bei Dynamo Dresden. Solidarität gewinnt in solchen Fällen eine neue Bedeutung, vor allem deshalb, weil beide Vereine momentan mehr Gemeinsamkeiten haben, als es die Trikotfarben vermuten lassen. „Getrennt in den Farben, gemeinsam in der Sache“ gilt als moderne Leitlinie innerhalb der Fanszenen, die sich bundesweit mit Herzblut, Loyalität, Respekt und Fairness dafür einsetzen, dass Geisterspiele der Vergangenheit angehören und jegliches Fanverhalten in Zukunft das Wohl des Vereins immer in den Mittelpunkt rückt. Vor allem bei Hansa Rostock und Dynamo Dresden. Dann sind beide Vereine auf der Siegerseite. Am Sonntag kann jedoch nur ein Team gewinnen. Möge es die sportlich bessere Mannschaft sein.
Schiedsrichter der Partie wird Deniz Aytekin aus Oberasbach sein. Anstoß ist um 13:30 Uhr.
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